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«Die gerade Linie ist unterbrochen» - il portale di "rodoni.ch"

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Mein lieber Lello, <strong>di</strong>e Stadt hier <strong>ist</strong> so hübsch, dass ich bedauere, dass du<br />

sie <strong>di</strong>esmal nicht mit ansiehst. Auf der Höhe steht ein bemerkenswerthes<br />

Schlossgebäude mit einer an ihm anschliessenden Kirche; <strong>di</strong>ese mit<br />

Kreuzgang, u[nd] rund umher Festungswällen u[nd] Zinnen: - noch gibt<br />

es viele schöne Häuser u[nd] Landsitze, und den See der fast wie eine<br />

Meerbucht wirkt.<br />

Das Wetter <strong>ist</strong> schön. Dieses alles tröstet mich vorübergehend dafür,<br />

dass ich nicht zu Hause in Zürich, und dass ich in Zürich nicht zu Hause<br />

bin! Dass Alles nicht <strong>ist</strong> wie es sein könnte und sollte, und dass<br />

Planlosigkeit u[nd] Unstätigkeit auf <strong>di</strong>e Lebensführung drücken. Jeder hat<br />

davon zu tragen und somit auch deine Entwicklung, <strong>di</strong>e rasch treibt und<br />

für <strong>di</strong>e Umstände noch überraschend gut sich anlässt.<br />

Es g<strong>il</strong>t aber, <strong>di</strong>eselbe in <strong>di</strong>e Hand zu nehmen u[nd] bewusster zu leiten,<br />

als es in den letzten Zeiten geschieht. Dein Talent <strong>ist</strong> gut und dein Eifer,<br />

es anzuwenden, streckenweise ganz anerkennenswerth.<br />

Auch sehe ich ein, dass du in der Wahl und dem Umgang mit deinen<br />

Kameraden einen guten Instinkt bezeigst. Ich w<strong>il</strong>l Dir aber - nicht als<br />

Vater - sondern als aller Künstler sagen, dass Du <strong>di</strong>ch entschliessen<br />

musst gründlicher zu arbeiten, falls Du Etwas erreichen w<strong>il</strong>lst,<br />

regelmässiger zu leben und mit deiner jungen Zeit hauszuhalten. Diese<br />

Zeit <strong>ist</strong> entscheidend und bis zu den zwanziger Jahren - wo erst das<br />

aüssere [sic] Leben seine Forderungen erhebt - unersetzbar für <strong>di</strong>e<br />

Grundlegung aller späterer Bestrebungen. Nimm <strong>di</strong>r demnach ein Ziel vor,<br />

dass du innerhalb <strong>di</strong>eser Zeit vollenden w<strong>il</strong>lst, überlege Dir welches, und<br />

führe den Vorsatz ruhig aber folgerichtig durch. 317<br />

Ich umarme Dich herzlichst als Dein Freund<br />

Ferruccio<br />

8. BUSONI A ERNST LOCHBRUNNER 318<br />

Mein lieber freund Ernst, 319<br />

mit Zögern u[nd] dankbar nehme ich den schönen Band Liszt in Empfang,<br />

der zu den übrigen 70 meiner Sammlung, vervollstän<strong>di</strong>gend, - von deiner<br />

freundlichen Hand - kommen soll. Wann werde ich <strong>di</strong>ese Einreihung<br />

vollführen dürfen? Diese Frage, <strong>di</strong>e uns täglich beschäftigt, drängt sich<br />

heute herrischer auf, da wir zum ersten Male 1918 schreiben. Damals, vor<br />

genau 4 Jahren, plante ich eine festigende Ruhe für mein Leben; heute<br />

stehe ich vor einem zweifelhaften Wiederbeginnen! 320<br />

eccessive; mais <strong>il</strong> serait une grande fac<strong>il</strong>itation si on annonçait à Neuchâtel les 12<br />

Etudes de Chopin au lieu des 24 Préludes.»<br />

317<br />

Nella lett. del 15.11.1919 (N. Mus. Nachl. 4, 137) <strong>il</strong> padre gli scrive da Londra:<br />

«Dein Plan, auf deine Vervollkommnung hin zu arbeiten, <strong>ist</strong> richtig: - aber er <strong>ist</strong><br />

unendlich. In jedem Alter, zu jeder Zeit deines Lebens, wirst du deinen selben Plan<br />

immer wieder vornehmen: das <strong>ist</strong> also - richtig besehen - nicht ein Plan; ebenso<br />

wenig als <strong>di</strong>e tägliche Nahrung und der Schlaf. Schön, dass Du Dir im Augenblick<br />

dessen bewusst b<strong>ist</strong>, was Dir nothwen<strong>di</strong>g <strong>ist</strong>.»<br />

318<br />

Mus. ep. F. B. 69.<br />

319<br />

E. Lochbrunner (1874-1923), pian<strong>ist</strong>a svizzero. Allievo <strong>di</strong> Diémer e <strong>di</strong> D’Albert,<br />

poi anche <strong>di</strong> Busoni a Berlino.<br />

320<br />

Cfr. la lett. 7.5.1919 (Mus. ep. F. B. 70): «Ich bin aber auch recht in einer<br />

moralischen Klemme; weiss wirklich keinen Entschluss zu fassen, u[nd] fühle <strong>di</strong>e<br />

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