december-2012
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Es ist fünf nach sieben an einem Donnerstagabend in der<br />
Semperoper. Die ersten Noten von Verdis Don Carlo erklingen<br />
aus dem Orchestergraben. Der Vorhang öff net sich und<br />
die Kulisse einer Plexiglaswand erscheint, in deren Inneren Dutzende<br />
von Schädeln aufeinander gestapelt ein gespentisches Bild<br />
ergeben. Während auf der Bühne Neil Shicoff , einer der renommiertesten<br />
Tenöre der Welt, anfängt zu singen, wird seine Stimme<br />
hinter den Kulissen durch das Knistern der Walkie-Talkies fast<br />
übertönt. Verdeckt von der Seitenwand der Bühne sind knapp zwei<br />
Dutzend technische Bühnenarbeiter nur wenige Meter links von<br />
Shicoff damit beschäftigt, für den reibungslosen Ablauf der Auff ührung<br />
zu sorgen. Wie die meisten der mehr als 800 Mitarbeiter der<br />
Semperoper gehören sie zu denjenigen, die der Opernbesucher nie<br />
sehen wird. Dabei sind es die Putzmacher, Theaterplastiker und die<br />
Schlosser der Rüstkammer, die die Semperoper zu einem ganz besonderen<br />
Spielort machen.<br />
Fast alles, was Zuschauer auf der Bühne der Semperoper sehen,<br />
wurde eigens für die jeweilige Inszenierung von Hand gefertigt: von<br />
den künstlichen Waff en bis hin zu den Perücken, für die jedes Haar<br />
einzeln in maßgeschneiderte Tüllkappen gezogen wird. Es gilt das<br />
Motto: Gekauft wird selten, neu erfunden wird viel. Jedes Jahr laufen<br />
fast 20 neue Inszenierungen in der Semperoper an. Um das bewältigen<br />
zu können, werden in den riesigen Werkstätten hinter der<br />
Oper bis zu acht Produktionen gleichzeitig vorbereitet.<br />
Wieviel Handarbeit selbst im kleinsten Detail auf der Bühne<br />
steckt, das wissen die wenigsten, sagt Theaterschlosser Silvio Kind.<br />
Interessierte Besucher können auf einer der Werkstattführungen<br />
Tenor Neil Shicoff wartet hinter<br />
den Kulissen auf seinen Auftritt<br />
Tenor Neil Shicoff waits<br />
in the wings for his cue<br />
30—GW<br />
D R E S D E N<br />
der Semperoper mehr über die Arbeit hinter den Kulissen erfahren.<br />
„Viele, die mit einer Führung hierherkommen, denken, es ist alles<br />
aus Pappe und einem bisschen Holz. Und wenn die dann aber sehen,<br />
wie gigantisch es eigentlich ist, was zum Beispiel den Stahlbau betriff<br />
t, der mit Holz verkleidet wird, dann verstehen sie auf einmal<br />
wie eigentlich unsere Arbeit aussieht“, erzählt Kind. Was ihn an seiner<br />
Arbeit reizt, ist die Kreativität. „Erfi nden macht Spaß... Dass das,<br />
was nie geht, dann doch geht“, sagt er. Als Theaterschlosser in der<br />
Rüstkammer fertigt er unter anderem die künstlichen Waff en an, die<br />
einen Schauspielertod auf der Bühne täuschend echt wirken lassen:<br />
egal ob durch einen Revolver, ein Messer oder Pfeil und Bogen.<br />
Die Herausforderung ist es immer wieder, das jeder Trick und<br />
Special Eff ect jeden Abend beim ersten Mal klappen muss auf der<br />
Bühne: „Beim Theater ist es ja so, sie können nicht schneiden. Sie<br />
können zum Publikum nicht sagen: ‚Dreht euch mal um’. Beim Film<br />
können die einen Schnitt machen. Wir müssen es durchziehen können,<br />
ohne dass das Publikum etwas mitkriegt.“ Wie viele in der Semperoper<br />
arbeitet Kind bereits seit seiner Lehre vor 31 Jahren hier.<br />
Damals war er 16 Jahre alt und „wollte einfach nicht ans Fließband“.<br />
Es gilt das Motto:<br />
Gekauft wird selten,<br />
neu erfunden wird viel