Sanitäts- und Kontumazordnung von 1770 - Memoria Medicinae

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Sanitäts- und Kontumazordnung von 1770 Umstände aber gestatten, daß auf Verlagen des Kranken ein dritter Medicus Beystand leiste, so kann zwar solches erlaubet werden, gegen dem jedoch, daß dieser Medicus die Kontumaz mit dem Kranken erstrecke, und über den Lauf der Krankheit dem Kontumaz-Directori täglichen Unterricht gebe. Wenn hingegen bey dem Kranken sich wirkliche Zeichen der Pest veroffenbaren, ist der betreffenden Sanitätskommission ohne augenblicklichen Verzug die Anzeige zu machen, wornach diese sowohl als der Kontumazdirektor sich nach folgenden Maßregeln unter schwerester Verantwortung zu richten haben, sie sich in ihrer Maß auf alle Zufälle erstrecken, wo immer die Pest wirklich auszubrechen beginnet. §. XXX. 87 In einem so unglücklichen Zufalle ist für das erste zur Richtschnure zu nehmen, daß von dem Tage ihrer Entdeckung an, der höchste Reinigungstermin von 42 Tagen alsogleich zu laufen anfange, wenn schon die Kontumaz in einer minderen Frist angetreten worden wäre. 2. Müssen die behafteten Personen mit der allgemeinen Strenge auch in der nämlichen Kontumazklasse von andern noch gesunden abgesöndert, und aller Vermischung auch unter ihnen vorgebogen werden. 3. Ist die Zahl der Reinigungsknechte oder Wächter zu vermehren, um auch die Wachsamkeit auf allen Seiten zu verdoppeln. 4. Sind alsogleich dem allerhöchsten Kontumaztermine von 42 Tagen alle in einer Station befindliche Kontumazisten zu unterwerfen, wenn sie auch von den Impestirten entfernet, und in abgesönderten Klassen oder Verschließungen sich befinden, bey welchen eben die bis auf den entdeckten Ausbruch vollstreckten Reinigungstage für verloren zu achten, und die Reinigung vom neuem anzufangen ist. 5. Ist um das Kontumazhaus, worinnen sich die Pest entdecket hätte, ein Bewachungskordon zu ziehen, und Niemand der Zutritt zu gestatten, es wäre denn Sache, daß der Kontumazdirektor anwesend und die strengsten Vorsichten beobachtet worden: wobey jedoch allezeit zu sorgen ist, daß an den nöthigen Nahrungs-, Heil- und Lebens- auch Seelenmitteln die armen Kranken keinen Abgang leiden. 6. Ein so beträchtlicher Zufall ist stracks der vorstehenden Sanitätskommission durch Staffeta oder sonst eilfertig anzuzeigen, welche ohne Saumsal die nöthigen Verfügungen nach Maß der Umstände machen, und die weitere Berichte an die Sanitätshofdeputation abstatten wird, um mit allergenauestem Fleiße alles das für damals anzuwenden, was zur Ausstellung eines oder mehrerer Pest-Medicorum erfoderlich, zur Bestimmung der Seelsorge allenfalls nöthig, zu [1278] Verhütung eines weiteren Eingriffs des Uebels, und zu dessen Erstickung anständig, zur Versehung mit nöthigen Lebens- und Hilfsmitteln für wirklich Erkrankte zureichend erachtet wird, denn es muß an allen diesen mitleidenden Beyspringungen den armen Kranken keineswegs gebrechen, hinfolglich jene Personen, die zu ihrer Aushilfe nöthig sind, mit ihnen in der Kontumazverfassung beharren, worinnen sie sich der gewöhnlichen Vorsichtsmittel zu gebrauchen, und alle Vermischung mit andern Leuten unter Leibs- und Lebensstrafe sorgfältig zu vermeiden haben. 7. Wenn die Impestirten genesen, ist ihnen frische Kleidung zu geben, die Leiber rein mit Wasser und Essig abzuwaschen, sie sind in frische Zimmer zu überbringen, und unter beständig gleicher Obachtsamkeit abgesöndert zu verwahren, bis der 42tätige Kontumaztermin ausgelaufen, wornach sie nach abermal vollbrachter Visitation des Medici und Chirurgi gleich andern entlassen werden. 87 Anmerkung am rechten Rand „Vorsichten bey sich entdeckender Pest“.
Sanitäts- und Kontumazordnung von 1770 8. Wenn die Pest wirklich ausgebrochen, ist der vorgesetzten Sanitätskommission eine genaue Specification der in der Kontumazstation befindlichen, den Impestirten zugehörigen Waaren zu überschicken, welche vorzüglich anordnen, und vorschreiben wird, was für verdoppelte Vorsichten über die vorgeschriebene Reinigung dieser Waaren die 42 Tage durch anzuwenden, oder ob wohl vielleicht gar eine oder die andere Waare durch das Feuer zu vertilgen sey; worüber die Kommission vorläufig die Befehlre der Sanitätshofdeputation über ihr erstattendes umständliches Gutachten zu erwarten, der Kontumazdirektor aber bey der Reinigung zu sorgen hat, daß die zu vertilgen bestimmende Körper und Effekten unfehlbar verbrennt, und auf keine Weise verzogen werden. 9. Wenn in ein Zimmer oder Magazin wirklich impestirte Personen, oder Waaren eingebracht worden, ist nach vollbrachter Kontumaz, und erhaltener Gesundheit sowohl, als nach erfolgtem Tode das Haus sorgfältig mit Pestrauche zu reinigen, die Böden durch die in der Kontumaz befindliche Knechte öfters mit Lauge auszureiben, die Wände zu waschen, und mit Kalke zu überweisen, auch Fenster und Thüren wenigstens durch 2 Tage offen zu lassen, ehe man in solche andere Kontumazisten einnimmt. 10. Der Verstorbenen Körper sind ohne Kleidung in eine wenigstens zwo Klafter tiefe Grube zu legen, mit Kalke zu überschütten, und mit Erde zu bedecken, und überhaupt zu sorgen, daß in die ehehin mit den Kontumazgebäuden geschlossene Kirchhöfe niemand eintreten könne. §. XXXI. 88 Die Vorsichten, die allhier auf Zufall vorgeschrieben worden, wenn die Pest in den Kontumazstationen ausgebrochen, erstrecket sich auch auf alle Länder, Städte, Märkte, Dörfer, Schlößer und einzelne Häuser, worinnen (welches der unendliche gütige Gott bewahren wolle) sich Zeichen einer Pest entdecken sollten, und Wir haben allda die von Unsrem glorwürdigen Herrn Vater, und Vorfahrer am Throne Kaiser Karl VI. Majestät in dem Gesetze vom 3. November 1738 bestimmte Todesstrafe hiemit gegen jene erneueren wollen, die wissentlich eine in ihrem Wohnhause, oder in der Nachbarschaft, wo immer sich einfindenden Pest, davon sie Wissenschaft haben, vertuschet, übergangen, und der der Ortsobrigkeit anzuzeigen unterlassen, und dagegen alsogleich die erfoderlichen Hilfsmittel anzustrengen, und ein Uebel in der ersten Geburt zu ersticken, welches so vielen tausend unschuldigen Nebenmenschen oft blos durch eine Vernachläßigung, und allzuspäte Entdeckung Leib und Leben gekostet. Wenn demnach in einer Stadt, Markte, Dorfe, Hause, oder Schloße die Pest wirklich entdecket würde, hat die Sanitätskommission, und die Landesobrigkeit sogleich zusammen zu treten, und zu berathschlagen, wie, entweder ganze Gemeinden, oder einzelne Häuser mit allen Menschen, Viehe und Geräthschaften nach Erfoderniß der Umstände gesperret, mit ausgebigen Kordonswachen, und Verpalisadirungen das vorgreifende Uebel gehemmet, alle Vermischung mithin sorgfältig hindanngehalten, Hunde, Katzen und Gefliegelwerk getödtet, und in [1279] allen Stücken eben jene Vorsichten allda in ihrer Maß, Thunlichkeit und Schicklichkeit angebracht werden, die oben bey den wirklich angestellten beständigen Kontumazstationen vorgeschrieben sind. Umstände, an die sich leichter durch die Vorsichtigkeit und Klugheit der Obrigkeit die nöthigen Hilfsmittel anschicken, als hier durch Gesetze weitwendige Vorschriften machen lassen. Die vorzügliche Schuldigkeit der Sanitätskommissionen, und Landesobrigkeiten muß aber ohne Unterlaß sorgen, durch die Untergebene besonders durch Stadt- und Landphysikos immerhin auf die Spuren ansteckender Seuchen wachen zu lassen, die eben diesen vor allen andern zeitlich 88 Anmerkung am linken Rand „Todesstrafe derjenigen, die eine ausgebrochene Pest wissentlich verschweigen, und Vorsichten, derer sich die Obrigkeiten den ungefähr im Lande entstehedem Pestübel zu betragen haben“.
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