Veröffentlichungsreihe der Forschungsgruppe ... - WZB
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schaft gesucht. In <strong>der</strong> Regel vermittelt <strong>der</strong> Arzt zwischen<br />
Einzelnem, Gemeinschaft und Wissenschaft, die auch ein Teil von<br />
Gemeinschaft ist" (1984:15).<br />
Diese Bestimmung <strong>der</strong> Medizin paßt mit den Vorstellungen des<br />
Public-Health-Ansatzes nicht zusammen. Zwei Diskrepanzen seien<br />
hervorgehoben. Erstens steht für die klinische • Praxis im<br />
Mittelpunkt, daß <strong>der</strong> Einzelfall das Maß allen diagnostisch<br />
therapeutischen Handelns ist. Demgegenüber sieht die Bevölke<br />
rungsmedizin den Einzelfall methodisch als irrelevante Größe<br />
<strong>der</strong> biomathematisch exakten Messung und theoretisch als<br />
Konstrukt aus allgemeinen Sozialmerkmalen wie Geschlecht,<br />
Alter, Beruf usw. Mit an<strong>der</strong>en Worten: Während die klinische<br />
Praxis am Patienten das einmalige o<strong>der</strong> allenfalls typische<br />
diagnostisch-therapeutische Verlaufsgeschehen sieht, sieht die<br />
Bevölkerungsmedizin an ihm den homo sociologicus mit erwart<br />
baren Erkrankungswahrscheinlichkeiten und berechenbaren Gesund<br />
heitschancen. Zweitens ist die klinische Medizin darauf ange<br />
wiesen, per Kasuistik zu beobachten; sie löst dabei am Einzel<br />
fall das Problem, welche Symptomatik bei welchem Krankheitsbild<br />
durch welche biochemischen o<strong>der</strong> pathophysiologischen Mecha<br />
nismen plausibel wird; erst darauf aufbauend und stets in Ver<br />
bindung zur klinischen Variabilität <strong>der</strong> Verursachungsvorgänge<br />
führt die vergleichende Forschung einen systematischen Beweis<br />
über ätiologische Zusammenhänge. Demgegenüber ist die Bevölke<br />
rungsmedizin kasuistisch blind und muß es sein; ihr Erklärungs<br />
feld liegt bei den sozialen Gebilden, <strong>der</strong>en Risikostruktur und<br />
-Verteilung sie durch Forschung klärt und durch politisch<br />
praktische Maßnahmenprogramme verbessern hilft.<br />
Medizin und Gesundheit<br />
Die Frage, die beim Vergleich <strong>der</strong> beiden Medizinformen einen<br />
Schritt weiterführt, richtet sich darauf, ob beide gleicher<br />
maßen adäquat sind. Adäquat bezüglich was? Als Kriterium für<br />
Adäquanz verwende ich die Phänomenqualität <strong>der</strong> Gesundheit, die<br />
oben näher beschrieben wurde. Die Frage lautet dementsprechend:<br />
Ist die Bevölkerungsmedizin genauso wie die klinische Medizin<br />
fähig, <strong>der</strong> Alltagsgegebenheit <strong>der</strong> Gesundheit gerechtzuwerden?