Veröffentlichungsreihe der Forschungsgruppe ... - WZB
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sanftem Zwang dazu veranlassen sollen, bei den Alltagsverrich<br />
tungen des Essens, Trinkens, Sich-Bewegens, Liebens, Schlafens<br />
etc. jeweils das Gesunde zu tun und das Ungesunde zu lassen -<br />
analog <strong>der</strong> erwähnten Maxime <strong>der</strong> Nordkarelienstudie "Was gesund<br />
ist, ist gut, was ungesund ist, ist schlecht". *<br />
Wer bestimmt nun, so muß man weiter fragen, was gesund und<br />
daher gut und was ungesund und daher schlecht ist? Die wissen<br />
schaftliche Begründung <strong>der</strong> gesundheitspolitischen Interven<br />
tionsprogrammatik im "neuen Public Health" wird in denselben<br />
epidemiologischen Großstudien gesucht, <strong>der</strong>en "Moral" durch die<br />
Maxime <strong>der</strong> Nordkarelienstudie plastisch verdeutlicht wird. In<br />
den Studien und auch in <strong>der</strong> aus ihnen begründeten Interven<br />
tionspolitik steckt offen o<strong>der</strong> implizit eine weltanschauliche<br />
Vordefinition dessen, was als gesund bzw. gesundheitsför<strong>der</strong>nd<br />
gelten soll.<br />
In einem geschichtlichen Aufriß <strong>der</strong> Konzeptionen des Public<br />
Health in Deutschland verweist Gunnar Stollberg darauf, daß<br />
dabei eine weltanschauliche Komponente vielfach nicht wahrge<br />
nommen wird; daher bleibe die Public-Health-Debatte meist blind<br />
gegen die Zwangselemente, die in ihrem eigenen Konzept stecken.<br />
Stollberg zitiert zunächst folgende Definition Baduras:<br />
"'Public Health bemüht sich um wissenschaftliche und praktische<br />
Bewältigung von Problemen, die den Gesundheitszustand, ganzer<br />
Populationen betreffen; insbeson<strong>der</strong>e Entstehung und Verbreitung<br />
von Massenkrankheiten; Gesundheitsför<strong>der</strong>ung und Prävention;<br />
Planung, Organisation und Lenkung von Gesundheitseinrichtungen;<br />
Politik und Ökonomie des Gesundheitswesens'", und er fährt<br />
fort: "Historische Definitionen von medizinischer Polizei, von<br />
Sozialmedizin, Sozialhygiene, öffentlicher Gesundheitsfürsorge<br />
u.a. sind ähnlich gewesen" (Stollberg 1993:1). Er zeigt, daß<br />
Einschränkung <strong>der</strong> individuellen Handlungsfreiheit durch staat<br />
liche Maßnahmen <strong>der</strong> Gesundheitskontrolle durchaus zum Arsenal<br />
präventiver Programmatik gehört: Seit dem fünfzehnten Jahr<br />
hun<strong>der</strong>t gibt es Krankheitsbekämpfung und Vorbeugung durch<br />
Behörden mit Eingriffsrechten in die Bewegungs- und Handlungs<br />
freiheit <strong>der</strong> einzelnen; während Gesundheit im liberalen Vormärz<br />
als soziales Recht galt, das den Schutz des Staates für die