Veröffentlichungsreihe der Forschungsgruppe ... - WZB
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George Rosen (1958) argumentiert, daß die Öffentlichkeits<br />
medizin, <strong>der</strong>en große Erfolge im späten neunzehnten Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
unbestreitbar waren, für ihre Verdienste wenig Lob erhielt.<br />
Statt dessen erntete die neue naturwissenschaftlich begründete<br />
Labormedizin einen Teil <strong>der</strong> Lorbeeren, die <strong>der</strong> Public-Health-<br />
Medizin zugestanden hätten. Die Öffentlichkeitsmedizin, so<br />
stellt er dar, legte das Paradigma <strong>der</strong> Miasma-Verursachung von<br />
Erkrankungen zugrunde - daher war logisch und richtig, bei<br />
spielsweise öffentliche Parks, Kanalisation etc. als krank-<br />
heitsverhin<strong>der</strong>nde Einrichtungen zu begreifen und zu finan<br />
zieren. Die segensreiche Wirkung <strong>der</strong> seit den vierziger Jahren<br />
des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts durchgesetzten Public-Health-Maßnahmen<br />
wurde allerdings erst nach 1880 fühlbar, und dann gerade in<br />
jenen Jahrzehnten, als das neue Erklärungsparadigma <strong>der</strong> Mikro<br />
organismen rasant bekannt wurde. Das neue Denken baute auf <strong>der</strong><br />
Arbeit <strong>der</strong> Forschung auf, die das Miasma-Modell<br />
weiterentwickelt und schließlich überwunden hatte, schreibt<br />
Rosen, und zugleich verbuchte es die dankbare Bewun<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Allgemeinheit für die Verbesserung <strong>der</strong> Gesundheitslage allein<br />
für sich, obwohl diese auch die Erfolge <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Maßnahmen spiegelte, die mit dem Miasma-Modell begründet worden<br />
waren. Die naturwissenschaftlich begründete Lehre heimste<br />
damals die Anerkennung ein, die teilweise auch <strong>der</strong> nunmehr<br />
obsoleten Miasma-Medizin und den Public-Health-Programmen<br />
gebührt hätte.<br />
Die Erfolgshoffnungen sozialmedizinisch begründeter Programme<br />
in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhun<strong>der</strong>ts können sich<br />
indessen nicht mehr auf dieselben Kriterien wie im 19. Jahr<br />
hun<strong>der</strong>t stützen. Die vorrangigen Mortalitätsursachen liegen<br />
heute bei chronischen Erkrankungen; <strong>der</strong>en Ätiologie ist oft un<br />
klar o<strong>der</strong> läßt mehrere Erklärungsmodelle zu. Die Genese<br />
chronischer Krankheiten, etwa des Krebses o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Herz-<br />
Kreislauf -Leiden, ist nur bedingt - und zudem vorwiegend zu<br />
folge epidemiologischer Befunde anstatt auch durch klinische<br />
Forschung - auf die bekannten. Risikoverhaltensweisen und<br />
Risikolebensstile zurückzuführen. Diese sollen durch die<br />
Gesundheitserziehung nunmehr beeinflußt werden, aber es steht<br />
nicht fest, ob die wissenschaftliche Grundlage dafür überzeugt.