Veröffentlichungsreihe der Forschungsgruppe ... - WZB
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Abweichungen wie Alkoholabusus etc. durchsetzen konnten, wird<br />
damit nicht ausgeschlossen, daß sie-erst "greifen", wenn Kranke<br />
aus eigenem Entschluß einen Arzt aufsuchen - anstatt durch die<br />
Funktionspersonen o<strong>der</strong> Aspekte <strong>der</strong> Präventionsprogramme<br />
ihrerseits aufgesucht und zur "Selbstbehandlung" veranlaßt zu<br />
werden.<br />
Prolegomina zu einem soziologischen Gesundheitsverständnis<br />
Thema dieses Arbeitspapiers sind Konsequenzen für Theorie und<br />
Methodologie von Public Health, die sich daraus ergeben, daß<br />
Gesundheit ein Alltagsphänomen ist. Dabei erscheint ein Public-<br />
Health-Ansatz möglich, <strong>der</strong> grundsätzlich nicht im Wi<strong>der</strong>spruch<br />
zur Phänomenqualität <strong>der</strong> Gesundheit steht. Aber um ein Gesund<br />
heitsverständnis zugrundezulegen, das den gesellschaftlichen<br />
Alltagscharakter ernst nimmt, muß die Medizinsoziologie und<br />
wohl auch die Sozialmedizin dazu bereit sein, ihren Gegen<br />
standsbereich und ihr Forschungsinteresse teilweise neu zu<br />
überdenken.<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> Theorie des Gesundheitswesens hat die kri<br />
tische Betrachtung folgendes ergeben: Unvermeidlich wird das<br />
Alltagsphänomen Gesundheit durch die Public-Health-Medizin ge<br />
stört; im Bereich des Individuums werden Spielräume eigenver<br />
antworteter Lebensgestaltung immer mehr kontrolliert, und im<br />
Bereich Gesellschaft nimmt die Medikalisierung von Lebens<br />
routinen überhand. Die Einengung <strong>der</strong> subjektiven Handlungs<br />
fel<strong>der</strong> durch Programme, die eigentlich das Gegenteil bezwecken,<br />
ist eine nicht-beabsichtigte Folgewirkung <strong>der</strong> Public-Health-<br />
Leistungen, nicht <strong>der</strong>en gewolltes Ergebnis. Aber die unvermerkt<br />
durch bevölkerungsmedizinische Gesundheitsför<strong>der</strong>ung ent<br />
stehenden Herrschaftsmuster sind soziologisch beunruhigend. Für<br />
die künftige Gestaltung von Public Health erfor<strong>der</strong>n sie, den<br />
begrifflichen Ansatz noch einmal zu überdenken. Die Planung für<br />
Gesundheit muß, wenn sie ihr erklärtes Ziel im Auge behält, die<br />
Lebensqualität <strong>der</strong> Menschen zu bessern, auf das Alltagsphänomen<br />
abgestimmt werden.