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Herunterladen als PDF - Walter Peter Gerlach, Forschungsprojekte

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wahrnehmungstheoretischen Diskussion durch eine Übersetzung der Schrift Schoenmaekers, die<br />

eine der wichtigsten Inspirationsquellen des hervorragenden westlichen Konstruktivisten, Piet<br />

Mondrians, wurde. Malewitsch kannte auch dieses Buch, das läßt sich belegen, und zwar vor 1913.<br />

Die Lehrbücher der russischen Akademien kennen wir im einzelnen noch nicht, aber eines der<br />

bedeutendsten und verbreitetsten Lehrbücher Europas, Preisslers Theorie 41 , erschien bereits 1749 in<br />

russischer Ausgabe von der Akademie der bildenden Künste in <strong>Peter</strong>sburg. Wir können mit Fug<br />

annehmen, daß diese europäische Diskussion auch in Moskau nicht unbekannt geblieben war,<br />

resultieren doch aus der wahrnehmungstheoretischen Wende der Rezeptionstheorie eben jene<br />

bildkünstlerischen Analogien, die Crone für die russischen Formalisten beschrieb: Das Vexieren<br />

zwischen akustischem Laut, dem Buchstaben und den Bedeutungen von Worten und Sätzen.<br />

Jedes akademische Lehrbuch beginnt noch heute mit einer Elementarlehre: dem Punkt, dem Strich<br />

und den regelmäßigen Flächen und Körpern, <strong>als</strong>o den Konstituenten einer Figur auf der Bildfläche 42 ,<br />

die so offenkundig einen virtuellen in einen aktuellen Bildillusionsraum transformiert. In der<br />

akademischen Praxis wurden die Übungen so eingerichtet, daß der angehende Künstler das freie<br />

Zeichnen derartiger Figuren so lange zu repetieren hatte, bis er in der Lage war, freihändig jede<br />

gewünschte geometrische Form zu zeichnen, d.h., bis er den potentiellen Bildraum frei handhaben<br />

konnte. Er begann selbstverständlicherweise mit zwidimensionalen Figuren. Erst danach ging er zu<br />

dreidimensionalen über, die der weiteren Einübung der Koordination von Hand und Auge dienten. Für<br />

die Elementarformen Kreis, Quadrat, Kugel oder Würfel kann Platons Beschreibung der Ordnung des<br />

Kosmos <strong>als</strong> vorgängig angenommen werden. Denn Form und Zahl sind konstitutiv für jegliche<br />

Bildordnung, und nichts wird im Bilde vorgestellt, was sich nicht irgendwie dieser Grundlage<br />

anbequemen ließ. Aber: in der Malerei noch des ausgehenden 19.Jahrhunderts galt es gerade die<br />

Spuren der v o r g ä n g i g e n Konstruktion n a c h h a l t i g z u t i l g e n. Von Malewitsch und<br />

seinem Kreis werden die bildkonstituierenden Konstruktionsformen aus ihrer dienenden Funktion<br />

befreit und ihre sinnliche Anschaulichkeit thematisiert.<br />

Auf der Ausstellung 0-10 und jener von 1919 in Petrograd finden sich Gemälde auf der Basis von<br />

Quadraten und Varianten dazu, z..B. das Schwarze Kreuz. Diese Gemälde können wir <strong>als</strong> eine<br />

Paraphrase auf die zeitgenössische Wahrnehmungstheorie begreifen, nicht jedoch nur <strong>als</strong> eine<br />

Isolierung und Monumentalisierung bekannter Elemente traditioneller Malerei, die sich <strong>als</strong> Phänomen<br />

durchgängig zwischen aufeinanderfolgenden Phasen der Bildgeschichte immer wieder beobachten<br />

lassen. Bei Malewitsch ist die Monumentalisierung zugleich eine Konzentration auf eben nur sinnlich<br />

Erfahrbares, begrifflich nicht Auflösbares, Provokation von Inspiration <strong>als</strong>o durch<br />

wahrnehmungstheoretische Einsichten oder Spekulationen. Damit aber bleibt die Frage der<br />

Bedeutung dieser Bilder ihrem Inhalt und ihrer Thematik nach noch unbestimmt und offen.<br />

Das Faktum aber, daß Malewitsch monochrome Gestaltungen nicht völlig regelmäßige geometrische<br />

Figuren darstellen, sondern optisch wirksame, kaum erkennbare Abweichungen aufweisen, verweist<br />

den Betrachter wiederum auf seine eigenen Wahrnehmungsfähigkeiten zurück. Er erfährt somit etwas<br />

über seine optische Sensibilität und aufgrund der farbigen Kontraste etwas über die elementare

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