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Herunterladen als PDF - Walter Peter Gerlach, Forschungsprojekte

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Widerspruch von Willkür <strong>als</strong> Folge seiner kompositorischen Ratschläge steht und die<br />

Unvorhersehbarkeit des nächsten Schrittes unübersehbar klar macht, daß erst das vage Wissen um<br />

die Lösung die vorgegaukelte Logik der sparsamen Bestandteile in ihrem Gauklerstück von Ökonomie<br />

folgerichtig erscheinen lassen (Abb. 16). 45 Die Poesie der elementaren Linie, längst bevor sie noch<br />

zum Umriß wird, ist eine notwendige, wo die Vorstellung von ihrer deskriptiven Bindung scheinbar<br />

aufgegeben scheint: zuerst in der theoretischen Geometrie, mindestens seit Pythagoras, <strong>als</strong>o lange<br />

bevor die Zeichenlehren sich ihrer annahmen. Wir wissen noch nicht, ob wir dieses Henry Peachem 46<br />

oder Crispijn de Passe 47 zu verdanken haben. Jedenfalls folgte auch Johann Daniel Preissler in<br />

seinem Werk "Die durch Theorie erfundene Practic" 48 (1721) diesem Vorschlag. Diese Autoren<br />

sprechen noch von Orientierungsübungen, Koordinationen von Hand und Auge. Das hieße aber,<br />

schon dem Bildfeld selber einen "inneren Klang", wie Kandinsky ihn verstand, zuzusprechen. 49<br />

Malewitschs Experiment - nach wie vor rätselhaftes puristisches Insistieren -, dem monochromen<br />

Bildfeld ästhetische Qualitäten abzutrotzen, kann, trotz aller kosmischen Bezüge ikonographischer<br />

Tradition, bislang nur aus einer Perspektive erhellt werden: aus der der spezifisch romantischen<br />

Wendung der Metapher vom Bild <strong>als</strong> Spiegel innerer Erlebnis- und Wahrnehmungsstrunkturen des<br />

Subjekts selber [<strong>als</strong> analytischem Objekt seiner selbst und] <strong>als</strong> analytischem Objekt des ästhetischen<br />

Diskurses, <strong>als</strong> Bearbeitung des Materi<strong>als</strong> ohne Illusion. Diese Entdeckung an der reduzierten<br />

Abstraktion von scheinbar geringem Komplexionsgrad aufgewiesen zu haben, verdanken wir indes<br />

einem Beiprodukt der experimentellen Wahrnehmungspsychologie des 19.Jahrhunderts: der Testfigur<br />

(Abb. 17 und Abb. 18). 50 Nur daß deren Autoren sich der ästhetischen Dimension keineswegs bewußt<br />

gewesen sind, jedenfalls scheint bisher nichts dafür zu sprechen.<br />

Gelegentlich sind akademische Zeichenlehren und die in ihnen enthaltenen figurativen "pattern" zu<br />

historisch-analytischen Untersuchungen herangezogen worden, nirgends jedoch die abstrakten,<br />

geometrischen Elementarformen, wie sie in diesen Werken mit Regelmäßigkeit anzutreffen sind.<br />

Malewitsch brachte auch dafür 1924-1927 einen eigenwilligen Versuch zustande, über den bisher<br />

wenig bekannt ist. 51 Gründe für unsere Wissenslücken mögen darin zu finden sein, daß die<br />

elementaren "pattern" in ihrer Abstraktheit dem konkreten, einzelnen Bild gegenüber so vage<br />

erscheinen, daß mit ihnen kaum ein hermeneutischer Zugang zu eröffnen möglich erscheint.<br />

Andererseits liegt in ihrer abstrakten Vagheit gegenüber der vielgestaltigen Komplexität von Realität<br />

die Chance, daß der Künstler jede ihm begegnende Form interpretieren kann, mit Hilfe <strong>als</strong>o der schon<br />

bekannten, der jede fremde, neue Form verglichen werden kann, sie sich zu eigen machen kann.<br />

Letztlich bleibt er <strong>als</strong>o immer wieder bei der selber wieder aus der komplexen Realität angeleiteten<br />

abstrakten Elementarform und ihrer Vagheit stehen. Oder besser nach, er kehrt notwendig zu dieser<br />

Vagheit zurück.<br />

Erst das Insistieren auf ihrem Eigenwert <strong>als</strong> Element, was Semper ihre praktische Ästhetik nannte,<br />

löst sie von der älteren heuristischen Zwangsjacke. Damit sollte sie aber nicht <strong>als</strong> Form<br />

wahrgenommen werden, dies bliebe trivial bis zur Banalität. Die Elementarform wurde zur Notation [=<br />

offenes Zeichen] erklärt. Kandinsky nannte die bildenden Künste die antipodischen, <strong>als</strong> die<br />

abstrakteren gegenüber der Musik und der Architektur, weil diese mit praktischen Zwecken verbunden<br />

seien 52 , die <strong>als</strong> Baumaterialien 53 für das Werk dienen - dies eine bemerkenswerte Umkehrung

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