Herunterladen als PDF - Walter Peter Gerlach, Forschungsprojekte
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Daguerreotypie-Ausrüstung verschafft hatte (Abb. 9) 17 . Als Abbildung gelesen, verweist sie voraus auf<br />
das in der folgenden Szene wiedergegebene, ob der Widerwärtigkeit der Natur gegenüber der<br />
bildtechnischen Neuerung mißratene Produkt des Monsieur Jobard. Als Bild in der Darstellungsfolge<br />
der Bildergeschichte hier jedoch gelesen ist der Blick in die Dunkelkammer schon ob des Formats <strong>als</strong><br />
monumentalisierte, einer sich der traditionellen Abbildbarkeit verweigernde, anders nicht artikulierbare<br />
Ansicht von Welt schlechthin zu deuten: das Foto-Labor <strong>als</strong> der Ort potentieller Weltabbildung.<br />
Doch angesichts dieser Schwärze hilft uns noch einmal Platons Schöpfungsgeschichte entscheidend<br />
weiter. 18 Im Timaios kommt Platon nach der oben zitierten Passage auf die Farben und ihr Verhältnis<br />
zu den Elementen zu sprechen: Demnach ist Schwarz die Farbe der reinsten und sogleich der<br />
solidesten Formen des Elements Erde, nämlich die des Gesteins "[...] von schwarzer Farbe [...]"(59<br />
d). Weiterhin tritt das Schwarz bereits in der antiken Farbtheorie und -symbolik in einen polaren<br />
Gegensatz zu Weiß, dessen Symbolik des Lichts, des Geistes, der Ration und Ordnung göttlicher<br />
Natur entsperingt. Demzufolge wurde Schwarz mit dem oppositionellen Symbolbereich von Materie,<br />
Sünde, Abwesenheit von Licht und Ordnung identifiziert. 19 Damit wäre aus diser Perspektive auch das<br />
Gemälde von Malewitsch <strong>als</strong> Elementarform zu deuten, denkbar <strong>als</strong> Summe aller Kosmosabbilder in<br />
der Sprache des Bildes: pars pro toto, aber <strong>als</strong> eine wohlgeordnete, weil geometrische<br />
Elementarform. Doch sie wäre auf der anderen Seite <strong>als</strong> nicht geistdurchdrungenes, sondern <strong>als</strong><br />
undurchsichtiges Bild der Welt zu untersuchen, das vielfältig gebrochen traditionelle<br />
Weltbildmetaphern in sich vereint, und dies <strong>als</strong> virtuelle Basis der Sehpyramide (Abb. 10). 20<br />
Abb. 10: Charles Wheatstone, Figurenpaare, die unter dem Stereoskop betrachtet, räumlich<br />
erscheinen, 1838, Fig. 15<br />
Machen wir nun die Probe aufs Exempel. Die Forschung der letzten Jahre hat sich wiederholt zur<br />
Entstehungsgeschichte von Malewitschs Schwarzem Quadrat geäußert, um aus verschiedenen<br />
Perspektiven die Inspirationsquellen aufzudecken, die Malewitsch zu der Konzeption dieses<br />
Gemäldes angeregt haben könnten. Dabei sind zwei sich befehdende Lager entstanden, deren eines<br />
vor allem durch die Publikationen von Susan P. Compton 21 repräsentiert wird. Ihre Hauptquelle ist der<br />
Schriftsteller P. Uspenskij, in dessen Tertium Organum - erschienen 1909 in St. <strong>Peter</strong>sburg und in<br />
zweiter Auflage 1912 - eine Abhandlung über die "vierte Dimension" steht. Uspenskij zitiert seinerseits<br />
ein Diagramm nach C. Howard Hintons The Fourth Dimension 22 : es ist ein von oben gesehener<br />
Pyramidenstumpf, den wir sogleich <strong>als</strong> das von Ernst Mach verwandte Vexierbild erkennen. Auf<br />
diesen Aspekt aber gehen Compton und auch die Vertreter der anderen Position nicht ein. Compton<br />
spürt der Verwendung eines Diagramms in Kompositionen Malewitschs nach. Ihr zufolge entdeckte<br />
Malewitsch eine strukturelle Ähnlichkeit zwischen diesem Diagramm und Picassos Stilleben der<br />
Shchuckin-Sammlung (Moskau), und sie schloß daraus, daß auch in Moskauer Literatenkreisen das<br />
Problem der vierten Dimension vielfältig diskutiert wurde. 23 Sie belegt mit einem Zitat Krutschenskijs<br />
nach Uspenskij die literarische Qualität dieser Diskussionen:<br />
"Im gegenwärtigen Augenblick kennen wir 3 Einheiten psychischen Lebens: Sensation, Perzeption<br />
und Konzeption (vermittels Ideen), und eine 4. Dimension beginnt sich zu formen [...]";