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Herunterladen als PDF - Walter Peter Gerlach, Forschungsprojekte

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Wovon hier die Rede ist, haben wir nunmehr unter einem gemeineren Begriff zu subsummieren, <strong>als</strong><br />

es Uspenskij unternahm: "optische Täuschung" ist dieser Begriff der Wahrnehmungspsychologie für<br />

die Erscheinungen, die hier beschrieben werden.<br />

Wir haben uns jedoch zu fragen, ob wir uns auf der Ebene der Diskussion von Bildinhalten auf diesen<br />

Terminus und seine Implikationen beschränken können: wäre doch dann jedes Bild beliebigen Inhalts<br />

eine optische Täuschung und damit für die Wissenschaft <strong>als</strong> nicht problemerföffnend erledigt und<br />

nicht weiter diskussionswürdig. Offen bliebe dann allerdings die Frage, wer hier über was getäuscht<br />

wird und ob es nicht eine Perspektive gibt, aus der die vorgebliche Täuschung gerade Einsichten in<br />

einen bestimmten Problemkreis eröffnet. Dies aber, inwiefern die optische Täuschung der<br />

Wahrnehmungspsychologie nachgerade die Basis für die "umfangreichere Bedeutung des Bildes"<br />

abgibt, steht nun hier zur Diskusssion. (Kritik an der Motivation Platons u.ff. für den Vorrang des<br />

Wortes bei der Wahrheitsfindung im optischen Indizienprozess).<br />

Rainer Crone 27 bestreitet die Rolle, die der Einfluß des "Tertium Ornaum" Uspenskijs gehabt haben<br />

soll, und kann sich dabei auf die Zeugenschaft von Roman Jacobsen berufen. Crone untersuchte die<br />

literarischen Arbeiten von Schlovskij (Die Auferstehung des Wortes, 1913), die <strong>als</strong> Einleitung des<br />

russischen Formalismus verstanden wurde. Aber er geht weiter auf die Arbeiten Chlebnikovs ein,<br />

einem Landsmann von Malewitsch. 28 Die Bedeutung dieser Arbeiten beruhe nicht auf der Erarbeitung<br />

des "autonomen Wortes <strong>als</strong> solchem", was in der sogenannten "Zaum-Sprache" geleistet wurde,<br />

sondern auf dem Vergleich mit analogen Entwicklungen auf dem Felde der Mathematik, der<br />

Geometrie und Arithmetik: Chlebnikov hoffte auf eine "Welt-Allsprache", eine "Univers<strong>als</strong>prache", in<br />

der die Zahl <strong>als</strong> semantische Einheit fungiere. Dazu müsse die gesamte Fülle der Sprachen in<br />

Einheiten der "Wahrheit des Alphabets" zerlegt werden; dann könne für die "Klangsachlichkeit" so<br />

etwas aufgebaut werden wie das Mendelsche Gesetz - "der letzte Gipfel des chemischen Denkens".<br />

"Sprache würde dann zum Spiel auf dem von uns erklärten Alphabet - zur neuen Kunst, an deren<br />

Stelle wir stehen [...]" 29 .<br />

Mathematisches Denken, das auf nicht-euklidischer Geometrie beruht, wurde durch den immer<br />

wieder zitierten ukrainischen Mathematiker Lobatschewskij (1793-1856) vermittelt, dessen Einsichten<br />

gegen Ende des Jahrhunderts wiederentdeckt und popularisiert wurden. In seinem Buch Neue<br />

Prinzipien der Geometrie (1835), das 1897 von Georg B. H<strong>als</strong>tadt ins Englische übertragen wurde,<br />

erwies er sich <strong>als</strong> Anhänger des Baconschen Sensualismus und <strong>als</strong> strikter Gegner der Kantschen<br />

Auffassung, daß Raum und Zeit reine Kategorien seien, unabhängig und vor jeder Erfahrung liegend.<br />

Alexander Vasiljew, der Vermittler Lobatschewskijs, betonte die Relativität auch der Erfahrung von<br />

Raum und Zeit. Er machte die Schriften Henri Poincarés in Rußland bekannt. Poincarés Diskussion<br />

des Problems der vierten Dimension, die er in dem Buch Wissenschaft und Hypothese behandelte,<br />

erschien 1904 in russischer Übersetzung. Darauf nun bezog sich Chlebnikov in seinem metaphorisch-<br />

spekulativ formulierten Gedanken über die Sprache.<br />

Aufschlußreich für die Wirkung derartiger Überlegungen und Formulierungen auf den Kreis um

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