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Herunterladen als PDF - Walter Peter Gerlach, Forschungsprojekte

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daran fügte er in Großbuchstaben hinzu:<br />

"In der Kunst verkünden wir DAS WORT IST UMFANGREICHER ALS DIE BEDEUTUNG". 24<br />

Das Wort wurde demnach <strong>als</strong> von einsinniger Bedeutung lösbar betrachtet. Es handelt sich <strong>als</strong>o um<br />

ein linguistisches Problem, das nicht nur in Moskau diskutiert wurde, sondern ein zentrales Problem<br />

der Sprachwissenschaften der Jahrhundertwende weltweit gewesen ist, Ausgangspunkt aller<br />

sprachwissenschaftlichen Theoriebildung und Diskussionen seitdem. Offen bleibt an dieser Stelle<br />

indes in Comptons Darlegung, wieweit die bildende Kunst gerade an dieser Problemformulierung<br />

teilnahm. Oder mit anderen Worten: Ist in der Kunst der Jahrhundertwende und der ersten Jahrzehnte<br />

des 20.Jahrhunderts, deren Chronologie wir noch immer <strong>als</strong> eine Abfolge von -ismen dargestellt<br />

sehen, <strong>als</strong>o sich von einander absetzender M<strong>als</strong>tile - die zu Wölfflins und Worringers Theoremen<br />

geführt haben -, insofern noch ein Problem einer weiteren Bildsemantik jenseits der Ikonographie<br />

formuliert worden, <strong>als</strong> - wollte man die Formulierung Krutschenskijs paraphrasieren - DAS BILD<br />

UMFANGREICHER IST ALS SEINE BEDEUTUNG?<br />

Kehren wir zur Argumentation Susan P. Comptons zurück: Malewitsch verwandte das Hinton-<br />

Uspenskij-Diagramm für die Umschlagillustration des Librettos der von ihm, Matjuschin und<br />

Krutschenskij komponierten und inszenierten Oper "Sieg über die Sonne", die sie in Finnland im März<br />

1913 auf einem von ihnen veranstalteten Futuristen-Kongreß verfaßten. Matjuschin komponierte die<br />

Musik auf der Basis einer Zwölftonskala. Von Krutschenskij stammten die daidaistisch anmutenden<br />

Texte und von Malewitsch die Illustrationen, die Entwürfe der Kostüme und Bühnenbilder. 25<br />

Lifschits Beschreibung dieser Aufführung, 1933 veröffentlicht, vor allem die darin enthaltenen<br />

Passagen über den optischen Eindruck, den die Lichtinszenierung mit den bis dahin unbekannten<br />

Spotlichteffekten und die Wirkungen, die die Farbkompositionen Malewitschs zwischen Bühnenraum<br />

und Akteuren erzeugten, stellen nach Compton den Zusammenhang zwischen dem Stück und dem<br />

her, was Uspenskij <strong>als</strong> das "kosmische Bewußtsein", <strong>als</strong> "die höhere Intuition" beschrieb, <strong>als</strong> einen<br />

Zustand nämlich, in dem die dritte Dimension, wie wir sie rational erfahren, <strong>als</strong> etwas Unvollständiges<br />

erkannt wurde. Durch das "kosmische Bewußtsein" verstehe man die vierte Dimension des Raumes,<br />

erlange ein neues Zeitverständnis und eine Empfindung für die Unendlichkeit. Das, was uns wie eine<br />

klassische Beschreibung halluzinatorischer Zustände unter Drogeneinfluß anmuten mag, entspricht<br />

indes sehr wohl der Beschreibung der Farb-Licht-Effekte durch Lifschits:<br />

"Körper zerbrachen unter den Lichtbündeln, sie verloren abwechselnd Arme, Beine, Köpfe, da<br />

Malevitsch sie nur <strong>als</strong> geometrische Körper anglegt hatte, die nicht nur dazu dienten, in Elemente<br />

zerlegt zu werden, sondern auch zur vollständigen Zerstörung/Auflösung im malerischen Raum<br />

führten!" 26<br />

Erreicht wurde dieser Effekt, indem vor farbigem Hintergrund jeweils entsprechend monochrom<br />

gefärbte Körperteile durch das farbige Licht zeitweilig unsichtbar gemacht werden konnten.

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