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3/05 - Akademie für Politische Bildung Tutzing

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Zukunft der Arbeit – Arbeit der Zukunft –<br />

Zukunft ohne Arbeit?<br />

Visionen in der Literatur und in Filmen erweisen sich oft als<br />

schneller realisierbar als vielleicht sogar vom Autor angenommen.<br />

Science Fiction-Romane oder -Filme sind nicht abgehobene<br />

Gedankenspielereien oder Phantasien hyperkreativer Hirne,<br />

sondern Gesellschaftskritik pur. Unsere Welt hat sich aus und<br />

auf Visionen hin entwickelt. Gerade Filme, <strong>für</strong> viele selbst eine Vision,<br />

nehmen später eintreffende Wirklichkeit und Realität häufig<br />

vorweg. Dies zeigte eine auch historisch angelegte Tagung <strong>für</strong> Filmbegeisterte<br />

in Zusammenarbeit mit der LAG Film Bayern. Bei den<br />

Visionen durfte natürlich das Thema „Zukunft der Arbeit“ nicht<br />

fehlen. Der Volkswirt und Soziologe Gerd Mutz von der Fachhochschule<br />

München und Direktor des Munich Institute for Social Sciences<br />

(MISS) sprach über die aktuelle Situation und mögliche Szenarien,<br />

wie sich die Welt der Arbeit verändern könnte.<br />

Ausgehend von der wirtschaftlichen<br />

Situation stellte Mutz fest, dass<br />

Deutschland seit 2003 wieder „Export-<br />

Weltmeister“ ist. In den letzten fünf<br />

Jahren seien die Exporte um 48 Prozent<br />

gestiegen. Entgegen allen Unkenrufen<br />

sei Deutschland als Standort nach<br />

wie vor attraktiv: es belegt Platz 5 bei<br />

den Direktinvestitionen in OECD-Länder.<br />

Mutz’ Fazit: „Im Hinblick auf die<br />

Kostensituation und das Preis-/Leistungsverhältnis<br />

ist Deutschland international<br />

wettbewerbsfähig. Allein der<br />

Export begründet die positiven Wachstumsraten<br />

in Deutschland.“ Und die so<br />

häufig gescholtene Globalisierung<br />

habe die wirtschaftliche Situation in<br />

Deutschland netto verbessert.<br />

Rege Umverteilung<br />

Auch die häufig als zu hoch bezeichnete<br />

Staatsquote sei nicht das Problem:<br />

sie liegt mit 48 Prozent seit 35 Jahren<br />

unverändert im europäischen Mittelfeld<br />

– und das trotz der erheblichen<br />

Lasten der deutschen Einheit.<br />

Diese Staatsquote werde überwiegend<br />

durch Abgaben auf den Faktor Arbeit<br />

finanziert: zum einen die Sozialabgaben,<br />

aber auch durch eine hohe Lohnsteuer<br />

und indirekte Steuern (Mehrwert-,<br />

Mineralöl- und Ökosteuer). Das<br />

mache 85 Prozent des gesamten Steueraufkommens<br />

aus. Nur 15 Prozent<br />

kommen von Unternehmen und Selbstständigen.<br />

Zum Vergleich: 1971 waren<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 3/20<strong>05</strong><br />

es hier noch 31 Prozent. „Da ist also<br />

eine rege Umverteilung im Gange“,<br />

sagte Mutz. Der Münchner Volkswirt<br />

sieht das Hauptproblem bei der zu geringen<br />

Kaufkraft bei den privaten<br />

Haushalten und der zu hohen Sparquote.<br />

Gerd Mutz: stärkste Umverteilung<br />

zu Lasten der Arbeitnehmer seit<br />

1945 Foto:ms<br />

Kaufkraft stärken<br />

Die Arbeitsproduktivität in Deutschland<br />

ist hoch: mit einer geringen Anzahl<br />

von Arbeitskräften kann ein hohes<br />

Wachstum erzeugt werden. Deshalb<br />

liegen die Lohnstückkosten im<br />

europäischen Mittelfeld. Trotzdem<br />

bleibt der Experte skeptisch: „Selbst<br />

wenn es gelingen würde, die Nachfra-<br />

gebedingungen zu verbessern, wird die<br />

Ausweitung des Volumens der Erwerbsarbeit<br />

nicht ausreichen, um einen<br />

wesentlichen Teil der heute Arbeitsuchenden<br />

zu integrieren. Mutz forderte<br />

eine Nachfragepolitik, die die Kaufkraft<br />

stärkt und zugleich eine flankierende<br />

Arbeitsmarktpolitik, die auch im<br />

Dritten Sektor und neben der klassischen<br />

Erwerbsarbeit Beschäftigungsfelder<br />

generiert und begünstigt.<br />

Die Arbeitswelt ist seit den 70er Jahren<br />

des vorigen Jahrhunderts einem<br />

enormen Strukturwandel ausgesetzt.<br />

Dazu zählt die Pluralisierung der Erwerbsformen<br />

wie Ich-AGs und Mini-<br />

Jobs. Das Normalarbeitsverhältnis sei<br />

einer ständigen Erosion unterworfen.<br />

Und die Übergänge zwischen Arbeit<br />

und Leben in der Freizeit werden<br />

immer fließender. Eine sinkende Zahl<br />

von Arbeitnehmern weist eine sehr stabile<br />

Beschäftigung auf. Dagegen ist<br />

eine steigende Zahl von Arbeitnehmern<br />

durch Diskontinuität und Instabilität<br />

betroffen. Soziale Unsicherheit nimmt<br />

zu, die Lebensplanung wird ungewisser<br />

und es wird viel mehr gespart. Die<br />

„gefühlte“ Beschäftigungsunsicherheit<br />

und Zukunftsangst nimmt zu – auch bei<br />

denen, die bisher in stabilen Beschäftigungsverhältnissen<br />

waren.<br />

Drehtüreffekt<br />

Die Langzeitarbeitslosigkeit (mehr als<br />

ein Jahr) betrifft etwa ein Drittel aller<br />

Arbeitslosen und hat sich auf hohem<br />

Niveau stabilisiert. Entscheidend <strong>für</strong><br />

diese Gefahr sind die Region, der Wirtschaftszweig<br />

(die Produktion ist mehr<br />

betroffen als die Dienstleistung), die<br />

Qualifikation und das Alter (höher als<br />

50).<br />

Zugleich ist der Arbeitsmarkt hoch flexibel<br />

geworden: „Im Omnibus der Arbeitslosen<br />

sitzen immer 5 Millionen,<br />

aber nie die gleichen. Manche steigen<br />

aus, andere zu.“ Eine zunehmende<br />

Zahl von Beschäftigten ist von einem<br />

„Drehtüreffekt“ betroffen: sie werden<br />

immer häufiger arbeitslos.<br />

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