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3/05 - Akademie für Politische Bildung Tutzing

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Peter Cornelius Mayer-Tasch von der<br />

Hochschule <strong>für</strong> Politik in München<br />

befasste sich in seinem Vortrag „Europa<br />

– eine Odyssee? – Anmerkungen<br />

zur Selbstbewusstwerdung unseres<br />

Kontinents“ mit dem Werden, dem<br />

Gewordenen und dem noch Werdenden<br />

in Europa. Er zitierte den ehemaligen<br />

Bürgermeister von Venedig und<br />

heutigen Europaabgeordneten Massimo<br />

Cacciari, dem der „Archipel Europa“<br />

als ein Netz von Inseln und als ein<br />

Meer von Überbrückungen erschien,<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 3/20<strong>05</strong><br />

Weiter wachsen trotz der Krise ?<br />

Zur Finalität der Europäischen Union<br />

Die Rede des deutschen Außenministers Joschka Fischer an<br />

der Berliner Humboldt-Universität im Mai 2000 über die<br />

Finalität der Europäischen Union stieß eine intensive Diskussion<br />

über die europäische Zukunft an. Durch die Anerkennung<br />

der Türkei als EU-Beitrittskandidat im Dezember 2004 hat sich die<br />

Suche nach Europas Grenzen als Wahlkampfthema etabliert. Bulgarien<br />

und Rumänien unterzeichneten im April 20<strong>05</strong> den Beitrittsvertrag.<br />

Mazedonien und die Ukraine wollen folgen. Inzwischen sprachen<br />

sich aber die Bürgerinnen und Bürger der Niederlande und<br />

Frankreichs gegen die Europäische Verfassung aus. Großbritannien<br />

hat den Ratifizierungsprozess gestoppt. Die europäische Integration<br />

ist ins Stocken geraten, der letzte Europäische Gipfel ist gescheitert.<br />

Was heißt unter diesen Umständen Finalität in Europa? Geht es um<br />

geographische, historische, philosophische oder kulturelle Ein- und<br />

Zuordnungen? Bei der Tagung zur Finalität der Europäischen Union<br />

setzten sich Wissenschaftler, Politiker und Fachleute aus der politischen<br />

<strong>Bildung</strong> und den Medien mit Vergangenheit, Gegenwart<br />

und Zukunft der EU auseinander.<br />

P. C. Mayer-Tasch: „Es sinkt die soziale Akzeptanz<br />

der eingespielten technischen, ökonomischen und<br />

politischen Volksbeglückungsmechanismen.“<br />

in dem der symbolische Europäer<br />

Odysseus mutig vorandrängte. Dabei<br />

wird er immer wieder durch widrige<br />

Umstände, Versuchungen und Bedenken<br />

auf der Suche nach<br />

dem fernen Ziel aufgehalten.<br />

Wo und wann<br />

Europas Ziel erreicht<br />

werde, sei weiterhin offen.<br />

Windstille wechsele<br />

in Europa mit flotter<br />

Fahrt und immer wieder<br />

blieben einzelne Schiffe<br />

eigensinnig zurück<br />

oder preschten übereifrig<br />

voran. Die lange<br />

Odyssee Europas werde<br />

nun auch durch die neu-<br />

en Entwicklungen zwischen<br />

Irakkrieg, Osterweiterung<br />

und Verfassungsdebatte<br />

gefährdet.<br />

Neue Unsicherheiten<br />

Mayer-Tasch gab einen kurzen Rückblick<br />

auf die prägenden Faktoren Europas<br />

wie den gemeinsamen Namen,<br />

das Christentum, die Adelsherrschaft,<br />

okzidentalen Rationalismus und die<br />

Staatenbildung. Auf das Gewordene<br />

sieht er eher pessimistisch herab. Ob-<br />

wohl zwei Weltkriege und der Kalte<br />

Krieg überwunden wurden, drohten<br />

nun neue ökologische, soziale und<br />

wirtschaftliche Unsicherheiten.<br />

Einerseits werde Fortschritt, Wachstum,<br />

Frieden und Freiheit euphorisch<br />

begrüßt, andererseits sinke „die soziale<br />

Akzeptanz der eingespielten technischen,<br />

ökonomischen und politischen<br />

Volksbeglückungsmechanismen“ und<br />

Europa resigniere. Irakkrieg, Haushaltsstreit,<br />

Osterweiterung und Verfassungskampf<br />

bewiesen, dass Europa<br />

eben kein „einzig Volk von Brüdern“<br />

sei. Wie Odysseus Welt sei auch Europa<br />

ein Meer von Inseln und daher<br />

dürfe man die zukünftige gemeinsamkeits-<br />

und gemeinschaftsorientierte<br />

Selbstbewusstwerdung nicht „im Zeichen<br />

hermetischer Identitätsvorstellungen“<br />

suchen. Man sollte das Volk mehr<br />

einbeziehen und somit dessen Stimmungslage<br />

weniger vom jeweiligen<br />

Kurs der nationalen Regierung abhängig<br />

machen. Das hierzu erforderliche<br />

europäische Bewusstsein ergebe sich<br />

aus den gemeinsamen Erinnerungen<br />

und erlernten Erfahrungen wie dem<br />

Pazifismus, der Freiheit und Gleichheit,<br />

dem Umweltbewusstsein, sowie<br />

der Rechts-, Sozial- und Volksstaatlichkeit.<br />

Auch das Bewusstsein über<br />

die Unterschiede der Völker Europas<br />

sowie der Stolz auf das gemeinsam<br />

Erreichte wie Binnenmarkt und Euro<br />

gehöre dazu.<br />

Michaele Schreyer, ehemalige EU-<br />

Haushalts-Kommissarin, referierte<br />

über die „politische Zukunft der Europäischen<br />

Union zwischen Erweiterung<br />

und Vertiefung“. Die „Anhängerin<br />

des europäischen Optimismus“<br />

zeigte sich begeistert von der Kraft der<br />

EU zu neuen Wegen. Erweiterung und<br />

Vertiefung der EU seien keine Gegensätze,<br />

denn sie würden einander bedingen.<br />

Finalität sei kein statischer Begriff<br />

und darum lehne sie es ab, „heute zu<br />

bestimmen, was das Ende von morgen“<br />

sei. Die Erweiterung sei ein dynamischer<br />

Prozess, laut Prodi der Traum<br />

von einer freieren und gerechteren<br />

�<br />

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