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3/05 - Akademie für Politische Bildung Tutzing

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Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg:<br />

Folgen der Katastrophe – Chancen des Neubeginns<br />

Die totale Niederlage Deutschlands<br />

am 8. Mai 1945 war zugleich<br />

die Voraussetzung <strong>für</strong> die<br />

Befreiung Deutschlands vom<br />

NS-Regime, dem allzu viele<br />

Deutsche allzu lange gehuldigt<br />

hatten. Die Sieger waren sich<br />

trotz aller Differenzen darin<br />

einig, das vollständig besiegte<br />

Deutschland nie wieder zu einer<br />

Gefahr <strong>für</strong> den Frieden in der<br />

Welt werden zu lassen. Überlebende<br />

Opfer, Verfolgte und<br />

Der Historiker Norbert Frei von<br />

der Universität Jena sprach<br />

über „Das Dritte Reich im Bewusstsein<br />

der Deutschen“. Zunächst<br />

stellte er den Anwesenden die Frage,<br />

warum 60 Jahre Kriegsende einen größeren<br />

Niederschlag in den Medien gefunden<br />

hätten als das vor zehn Jahren<br />

der Fall war. Zwar habe seit 1983 ein<br />

„jahrelanger Gedenkmarathon“ stattgefunden,<br />

dennoch hätte es noch nie<br />

„so viel Hitler“ gegeben wie heute.<br />

Auch nach 1995 sei durch Ereignisse<br />

wie das Goldhagen-Buch oder die<br />

Wehrmachtsausstellung kein Schlussstrich<br />

gezogen worden, sondern das Interesse<br />

eher gestiegen. Frei wollte<br />

durch einen Abriss auf die „Vergangenheit<br />

der Vergangenheit“ klären, ob<br />

da<strong>für</strong> der zeitliche Abstand, der Generationenwechsel<br />

oder die Medialisierung<br />

verantwortlich seien.<br />

Die erste Periode der politischen Säuberung<br />

in der Besatzungszeit bis 1949<br />

sei gekennzeichnet durch den „Nürnberger“<br />

Anstoß von außen (Internationales<br />

Militärtribunal und die Nachfolgeprozesse),<br />

nicht von innen. In der<br />

folgenden Phase der frühen Bewältigung<br />

beziehungsweise der Verweigerung<br />

von Selbstkritik war plötzlich niemand<br />

mehr ein Nazi gewesen. Die<br />

Deutschen fühlten sich als Verführte<br />

und Hitlers erste Opfer. Die Entnazifi-<br />

30<br />

heimliche Gegner verbanden<br />

damit die Hoffnung auf eine<br />

bessere Zukunft. Für die Regimetreuen<br />

und die Mitläufer<br />

schien die Zukunft jedoch ungewiss.<br />

Der tägliche Kampf ums<br />

Überleben in der zusammengebrochenen<br />

Gesellschaft dominierte<br />

den Alltag. Wie aber konnte<br />

sich zumindest das westliche<br />

Deutschland aus dieser Situation<br />

zu einem wirtschaftlichen und<br />

sozial stabilen Gemeinwesen ent-<br />

zierten wurden durch Amnestien reintegriert<br />

und bereits 1957 seien alle<br />

Mörder aus den Einsatzgruppenprozessen<br />

wieder frei gewesen. Vor allem<br />

bei der Jugend hätte sich dann zurecht<br />

moralische Kritik erhoben und die dritte<br />

Phase der Vergangenheitsbewältigung<br />

ermöglicht.<br />

Historiker Norbert Frei: Zukünftig<br />

der Trivialisierung und Kommerzialisierung<br />

entgegenwirken<br />

Fotos: Delhaes<br />

Neben Anne Franks Tagebuch, der<br />

Ausstellung zur Nazi-Justiz 1959, dem<br />

Eichmann-Prozess 1961 und dem<br />

Auschwitz-Prozess 1963 trugen vor<br />

allem die Kinder der NS-Funktionärsgeneration<br />

zur Selbsthinterfragung<br />

bei. Mitte der 80er Jahre gehörte die<br />

wickeln? Wie hat es sich in den<br />

vergangenen 60 Jahren mit seiner<br />

braunen Vergangenheit auseinandergesetzt,<br />

wie hat es NS-<br />

Verbrechen verfolgt und wie versuchte<br />

es, Unrecht wieder gutzumachen?<br />

Mit diesen Fragen<br />

setzte sich die auf starkes Interesse<br />

stoßende Tagung unter der<br />

Leitung von Karl-Heinz Willenborg<br />

und Jürgen Weber auseinander.<br />

Vergangenheitsbewältigung bereits<br />

zur Kultur und es habe dann die Phase<br />

der Vergangenheitsbewahrung begonnen.<br />

1979 ging der Holocaustfilm<br />

über die Bildschirme, 1983 begann der<br />

Historikerstreit, 1985 hielt Bundespräsident<br />

von Weizsäcker seine berühmte<br />

Rede und 1989 endete die Teilung<br />

Europas.<br />

Fundiertes<br />

Geschichtsbewusstsein<br />

vermitteln<br />

Heute stehe Deutschland vor dem physischen<br />

Abschied der letzten überlebenden<br />

Zeitzeugen und die persönliche<br />

Erinnerung werde durch die Geschichtserzählung<br />

abgelöst. In einer<br />

zunehmend medialisierten Welt beginne<br />

eine „Erinnerungsschlacht“, bei der<br />

die letzten Opfer natürlich eher als die<br />

letzten Täter über ihre Erlebnisse berichteten.<br />

Dies sei kritisch zu betrachten,<br />

da Geschichte nicht in Einzelgeschichten<br />

aufgehe und Erinnerungen<br />

problematisch seien. Man müsse auch<br />

andere Quellen auswerten. Zukünftig<br />

solle man der Trivialisierung und Kommerzialisierung<br />

entgegenwirken und<br />

lieber ein fundiertes Geschichtsbewusstsein<br />

vermitteln.<br />

�<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 3/20<strong>05</strong>

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