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3/05 - Akademie für Politische Bildung Tutzing

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Regieren mit weniger Geld<br />

Reformpolitik in Zeiten knapper Kassen<br />

„Reformpolitik“ – früher ein Synonym <strong>für</strong> die Ausweitung sozialer<br />

Wohltaten, steht heute vor allem <strong>für</strong> Um- bzw. sogar Abbau des Sozialstaates.<br />

Statt Rentenerhöhung und Ausbau des Gesundheitssystems<br />

heißen die Ziele nun Reduzierung von Staatsverschuldung<br />

und Haushaltssanierung. An die Stelle von Wohltaten treten Zumutungen.<br />

Und der politische Streit dreht sich um die Fragen: Wo soll<br />

gespart werden und wie werden die Lasten gerecht verteilt? Für die<br />

Politiker ergibt sich daraus eine erhebliche kommunikative Herausforderung,<br />

sind sie es doch, die den Bürgerinnen und Bürgern die<br />

Notwendigkeit aller dieser Maßnahmen, die heute und morgen Einschränkung<br />

und Verzicht mit sich bringen, erklären müssen. Mit<br />

diesen Fragen grundsätzlich und anhand konkreter Politikfelder<br />

beschäftigte sich die Tagung „Regieren mit weniger Geld. Reformpolitik<br />

in Zeiten knapper Kassen“.<br />

Einen schonungslosen Blick auf<br />

die Situation in Deutschland<br />

warf Thiess Büttner (LMU und<br />

ifo Institut <strong>für</strong> Wirtschaftsforschung<br />

München). „Jeder“, so Büttner, „der an<br />

staatliches Handeln glaubt, sollte die<br />

Sicherung der Leistungsfähigkeit des<br />

Staates ernst nehmen.“ Diese Leis-<br />

Wirtschaftsforscher Thiess Büttner:<br />

schonungsloser Blick auf Deutschland<br />

Fotos: Schröder/Schwarzm.<br />

tungsfähigkeit sieht der Ökonom<br />

durch die Einengung des finanziellen<br />

Spielraums ernsthaft gefährdet. Seiner<br />

Ansicht nach „sind Schulden kein Mittel<br />

der Finanzierung von Staatsaufgaben“.<br />

Die Verschiebung der Finanzierungslast<br />

auf der Zeitachse – nichts<br />

anderes seien Schulden – werde dann<br />

zum Problem, wenn es nicht gelinge,<br />

„zumindest regelmäßig mit den Primäreinnahmen<br />

die Schulden zu übertreffen.“<br />

(Siehe Diagramm S. 5).<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 3/20<strong>05</strong><br />

Eine differenzierte Betrachtung der<br />

deutschen Bundesländer offenbare<br />

große Unterschiede: Um mittelfristig<br />

einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen<br />

und damit „argentinische Verhältnisse<br />

von teilweiser Zahlungsunfähigkeit“<br />

zu vermeiden, müsste Berlin<br />

beispielsweise die aktuellen Ausgaben<br />

um 25 bis 28 Prozent kürzen, Bayern<br />

um 6,48 Prozent.<br />

Keine Alternative<br />

zum Sparen<br />

Genau dieses Ziel habe die bayerische<br />

Staatsregierung vor Augen mit ihrer<br />

2004 begonnenen Politik des ausgeglichenen<br />

Staatshaushalts ab 2006,<br />

betonte der bayerische Finanzminister<br />

Kurt Faltlhauser. Nur so könne die Investitionsquote<br />

(derzeit 12,5 Prozent),<br />

die „Kennzeichen <strong>für</strong> Beweglichkeit in<br />

einem Haushalt ist“, wieder erhöht<br />

werden (Ziel: 15 Prozent). In der Vergangenheit<br />

wurde nur zu oft – und da<br />

nahm sich Faltlhauser selbst nicht aus<br />

– „die Hand gehoben <strong>für</strong> mehr Verschuldung,<br />

um Verteilungskämpfe zu<br />

vermeiden.“ Zur Sparpolitik gebe es<br />

keine Alternative, betonte Faltlhauser,<br />

und Vorgaben in Gesetzesform stärkten<br />

ihm den Rücken bei den Verhandlungen<br />

mit den Ressortministern. Mit<br />

Nachdruck verwies er darauf, dass die<br />

Aufweichung der Konvergenzkriterien<br />

des EU-Stabilitätspakts den fal-<br />

schen Weg weise. Er warnte eindringlich<br />

davor, dass das Haushaltsproblem<br />

zum Demokratieproblem werden könne,<br />

falls sich die Gestaltungschance der<br />

Politik immer mehr verenge.<br />

Vertrauensverlust<br />

Einen grenzüberschreitenden Blick auf<br />

die Entwicklung der Parteiendemokratien<br />

eröffnete Uwe Jun (Universität<br />

Trier). Generell, so Jun, sei ein Bedeutungsverlust<br />

der großen Volksparteien<br />

auf gesellschaftlicher Ebene zu kon-<br />

Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser:<br />

Das Haushaltsproblem<br />

kann zum Demokratieproblem<br />

werden.<br />

statieren, wo<strong>für</strong> er drei Gründe ausfindig<br />

machte: Mitgliederrückgang, rückläufige<br />

langfristige Bindungsneigung<br />

der Wähler an Parteien und weniger<br />

national zugeschnittenes programmatisches<br />

Profil. Ebenfalls festzustellen<br />

sei ein grundlegender Vertrauensverlust<br />

in die Fähigkeit von Parteien, Probleme<br />

zu lösen: „Der Allzuständigkeits-<br />

und Allmachtseindruck wird<br />

konterkariert durch begrenzte Handlungsmöglichkeiten.“<br />

<strong>Politische</strong> Parteien,<br />

die angesichts der Staatsverschuldung<br />

massive soziale Einschnitte<br />

umsetzen, müssten sich darüber im<br />

klaren sein, dass sie Gefahr laufen,<br />

nach vier Jahren wieder abgewählt zu<br />

werden. In diesem Sinne gab Jun<br />

Hans-Werner Sinn Recht, der von den<br />

Parteien in der aktuellen Krise den<br />

„Mut zum Untergang“ einforderte.<br />

Unter dem Titel „In der Schuldenfalle<br />

– Rufe aus dem Jammertal“ beschrieb<br />

�<br />

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