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3/05 - Akademie für Politische Bildung Tutzing

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auch die Investitionsquoten sehr hoch<br />

gewesen, natürlich bedingt durch die<br />

Zerstörungen. Das Wirtschaftswunder<br />

in Westdeutschland sei durch einen<br />

schnellen Anstieg des Lebensstandards<br />

und die dadurch geförderte baldige<br />

Akzeptanz der Demokratie geprägt<br />

gewesen. All dies sei in der DDR, bedingt<br />

durch die Trägheit des sozialistischen<br />

Systems und der Planwirtschaft,<br />

entweder wesentlich geringer,<br />

teilweise sogar defizitär ausgefallen.<br />

Der entscheidende Anstoß <strong>für</strong> das<br />

Wirtschaftswunder kam durch die Liberalisierung<br />

des Außenhandels der<br />

Bundesrepublik, ihre Rückkehr auf den<br />

Weltmarkt. Das Sozialbudget wuchs<br />

beachtlich – besonders der Anteil der<br />

Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung.<br />

Beamtenversorgung,<br />

Lohnfortzahlung, Kindergeld und Sozialhilfe<br />

stiegen zwar auch, aber nicht<br />

im selben Maße. Heute liege die Sozialquote<br />

bei über einem Drittel und die<br />

Sozialausgaben pro Einwohner bei<br />

rund 7800 Euro. Soziale Marktwirtschaft<br />

sei aber nicht Marktwirtschaft<br />

mit möglichst viel sozialen Ausgaben.<br />

Vielmehr sei von Erhard eine Wettbewerbswirtschaft<br />

gewollt gewesen, die<br />

vom Staat gegen Kartelle und Protektionismus<br />

geschützt werden sollte.<br />

Auflösung bürgerlicher<br />

Ordnung<br />

Konrad Jarausch von der<br />

Universität Potsdam zeigte<br />

den „langen Weg zur<br />

Zivilgesellschaft“ auf.<br />

Nach dem Zerfall der<br />

Wehrmacht, der Auflösung<br />

der NSDAP und dem<br />

Ansturm von entlassenen<br />

Häftlingen, Flüchtlingen<br />

und Zwangsarbeitern löste<br />

sich die bürgerliche<br />

Ordnung in Deutschland<br />

auf. Das Leben kurz vor<br />

und nach Kriegsende sei<br />

durch die Niederlage, Vergewaltigung,<br />

Verlust,<br />

Überlebensfreude, Besatzung,<br />

Befreiung, Tod und<br />

eine atemberaubende physische<br />

und psychische<br />

Zerstörung geprägt gewe-<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 3/20<strong>05</strong><br />

Christoph Buchheim: „Soziale<br />

Marktwirtschaft ist nicht Marktwirtschaft<br />

mit möglichst vielen<br />

sozialen Ausgaben.“<br />

sen. Aus dem Ende habe sich ein Anfang<br />

ergeben. Die KZ-Verbrechen, mit<br />

denen die Besatzungsmächte die Deutschen<br />

konfrontierten, lösten bei ihnen<br />

Unglauben und eine beschleunigte Distanzierung<br />

vom Dritten Reich,<br />

allerdings ohne wirkliche Schuldanerkenntnis<br />

aus. Die Mehrzahl der Deutschen<br />

schob alle Schuld auf Hitler. Bei<br />

den Westalliierten führte der Ende der<br />

40er Jahre einsetzende Kalte Krieg zu<br />

Konrad Jarausch zeigte den langen Weg der<br />

Deutschen zur Zivilgesellschaft auf.<br />

einem raschen und pragmatischen<br />

Wandel in der Behandlung der Deutschen.<br />

Es sei eine widersprüchliche<br />

Zeit zwischen Entnazifizierten, Kriegsgewinnlern,<br />

Wendehälsen, Tätern und<br />

Angepassten gewesen, meinte der Historiker<br />

Jarausch. Deutschland sei vor<br />

1933 eine westliche Demokratie mit<br />

Kant, Beethoven und Goethe gewesen,<br />

dennoch hatte es diesen Rückfall in die<br />

Barbarei, diesen Zivilisationsbruch<br />

gegeben.<br />

Demokratiefähig durch<br />

die Katastrophe<br />

Erst die Katastrophe habe die Deutschen<br />

demokratiefähig gemacht. Der<br />

Demilitarisierung sei eine Pazifizierung,<br />

der Denazifizierung ein Bruch<br />

mit allen Traditionen sowie eine Europäisierung<br />

des Landes und der Demontage<br />

die soziale Marktwirtschaft<br />

gefolgt. Weitere prägende Veränderungen<br />

hätten sich aus der „Westernisierung“<br />

und inneren Demokratisierung<br />

der 60er Jahre ergeben. Lernprozesse<br />

seien nie gradlinig, sie verliefen auch<br />

mal in die falsche Richtung.<br />

Der radikalste Bruch mit der Vergangenheit<br />

habe in der DDR stattgefunden<br />

und sei in eine neue Diktatur gemündet.<br />

Nachdem Deutschland nun<br />

von Freunden umgeben sei, werde die<br />

Verbindung von Demokratie und Nation<br />

schwierig und Europa als Rettung<br />

gesehen. Zu einem neuen Test der Zivilgesellschaft<br />

würden die Themen<br />

Weltoffenheit, Migration, Fremdenfeindlichkeit<br />

und Minderheiten avancieren.<br />

Eine Zivilgesellschaft sei eine<br />

ständige Herausforderung, an der man<br />

arbeiten müsse. �<br />

Andreas von Delhaes<br />

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