3/05 - Akademie für Politische Bildung Tutzing
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auch Schaufenster-Politik als „Pressefutter“,<br />
um die Informationsnachfrage<br />
der Medien und der Öffentlichkeit zu<br />
befriedigen.<br />
Streitkultur den Medien<br />
geopfert<br />
Sepp Dürr, Fraktionsvorsitzender von<br />
Bündnis90/Die Grünen im Bayerischen<br />
Landtag bedauerte, dass die traditionelle<br />
Diskussions- und Streitkultur<br />
der Grünen <strong>für</strong> die Medien geopfert<br />
wurde. Obwohl Politik und Demokratie<br />
eigene Regeln hätten, die nur be-<br />
Sepp Dürr: „Inhaltsleere Symbolpolitik<br />
<strong>für</strong> die Medien“.<br />
Fotos: AvD<br />
dingt medientauglich seien, müsse man<br />
sich den Gesetzmäßigkeiten der Medien<br />
anpassen. Folglich betreibe man<br />
auch inhaltsleere Symbolpolitik, um<br />
Zeitungen und Fernsehen die stets geforderten<br />
Resultate zu liefern. Dürr<br />
zeigte sich überrascht, wie schnell er<br />
in den Medien Grünen-Experte <strong>für</strong> alles<br />
Mögliche geworden sei und zunächst<br />
völlig unvorbereitet medientaugliche<br />
Sätze zu produzieren hatte.<br />
Teilweise sei er schon vor Beginn der<br />
parlamentarischen Debatte nach den<br />
Ergebnissen gefragt worden. Politik<br />
müsse aber manchmal auch inszeniert<br />
werden, um sie verständlich zu machen.<br />
Schließlich habe noch niemand<br />
einen Politiker beim Denken gefilmt.<br />
Die Medien müssten Aussagen kontrollieren<br />
und Widersprüche zum Handeln<br />
recherchieren, um Blendwerk zu<br />
entlarven. Die Politiker wiederum sollten<br />
nicht jeden Tag auf die Wahlum-<br />
26<br />
fragen schauen, da Wahlen ohnehin<br />
erst kurz vor Schluss entschieden würden.<br />
Jede Seite habe ihre Regeln, die<br />
sie vom Gegenpart verstanden wissen<br />
wolle. Bei der Politik sei das Verständnis<br />
<strong>für</strong> die Medien zwangsweise gewachsen,<br />
weil man „der unterdrückte<br />
Teil“ sei, umgekehrt sei dies nicht unbedingt<br />
der Fall. Verantwortlich da<strong>für</strong><br />
seien mitunter auch die unflexiblen<br />
parlamentarischen Abläufe. Es sei<br />
nicht so schlimm, dass sich Medien<br />
und Politik gegenseitig antrieben, sondern<br />
dass sie das ohne feste Regeln<br />
täten. Er selbst wisse allerdings auch<br />
kein Mittel, um den Prozess zu „entschleunigen“.<br />
Fakt sei jedenfalls, dass<br />
es <strong>für</strong> die Politik keine rationale Alternative<br />
gebe, um das gesellschaftliche<br />
und wirtschaftliche Zusammenleben zu<br />
gestalten.<br />
Politik setzt die Themen<br />
Auch nach Ansicht von Rudolf Erhardt,<br />
Landtagskorrespondent des<br />
Bayerischen Rundfunks, schaukelten<br />
sich beide Seiten gegenseitig hoch.<br />
Zwischen den Politikern und den Wählern<br />
stünden die Medien. Diese müssten<br />
sich mit einer Vielzahl von Pressestellen<br />
und Pressesprechern auseinandersetzen,<br />
deren Hauptziel entweder<br />
die Verhinderung von Berichten oder<br />
die gefilterte Herausgabe von Informationen<br />
seien. An die Entscheidungsträger<br />
komme man gar nicht mehr heran,<br />
sodass man manchmal nur ein vielfach<br />
durchgesehenes Gnaden-Statement des<br />
Ministers erhalte, anstatt selbst Fragen<br />
stellen zu dürfen. Nicht die Medien<br />
trieben somit die Politik, sondern diese<br />
setze die Themen und verhindere oft<br />
durchaus geschickt, dass die Presse an<br />
den Kern der Sache herankomme. Wie<br />
im Beispiel der Feinstaub-Diskussion<br />
werde eine Presselawine oft erst durch<br />
einzelne Ereignisse ausgelöst, obwohl<br />
die Fakten schon viel früher bekannt<br />
gewesen seien. Im konkreten Fall habe<br />
sein Bericht der Redaktion lange vor<br />
dem „Feinstaub-Hype“ bereits vorgelegen<br />
und sei als unwichtig abgelehnt<br />
worden. Nach der Presselawine berichteten<br />
alle dann nur noch vom „sich<br />
kümmernden Minister“ oder den als<br />
„völlig neu“ vorgegaukelten Maßnahmekatalogen.<br />
Ein Grundübel bei den<br />
Medien sei jedoch neben der Ausbil-<br />
dungsproblematik, dass es keine Recherche-,<br />
sondern nur Zeilenhonorare<br />
gebe. Die Medien müssten sich endlich<br />
der Frage stellen, ob sie wirklich<br />
noch die „vierte Gewalt“ seien und ob<br />
sie nicht einen gehörigen Anteil am<br />
schlechten Image der Politiker haben.<br />
Wolfgang Grossmann: „Medien<br />
machen keine Politik.“<br />
Wolfgang Grossmann, Chef vom<br />
Dienst beim SWR und früher Hauptstadtkorrespondent<br />
in Bonn und Berlin,<br />
kritisierte, dass mancher Politiker<br />
– wie im Wahlkampf 1998 Otto Schily<br />
– die Medien zunächst <strong>für</strong> seine<br />
wöchentlichen Pressekonferenzen benutzte,<br />
sie danach aber nur noch als<br />
lästig empfunden habe. Das Telefon sei<br />
ein „wunderbares Blockadeinstrument“.<br />
Der Pressesprecher habe alle<br />
uangenehmen Fragen „abgebügelt“<br />
und nur noch willfährige Journalisten<br />
zu den Pressekonferenzen eingeladen.<br />
Zwar hätten die Medien daraufhin einen<br />
Totalboykott erwogen, konnten ihn<br />
aber wegen der Konkurrenzsituation<br />
untereinander letztlich nicht durchhalten.<br />
Dennoch räche sich eine solche Informationspolitik<br />
irgendwann, da Journalisten<br />
ein gutes Gedächtnis hätten.<br />
Medien seien nicht die Verursacher der<br />
Nachrichten und sie machten auch keine<br />
Politik, sondern versuchten nur, diese<br />
zu transportieren. Bei der gegenwärtigen<br />
Inflation der Pressekonferenzen<br />
könne man andererseits gar nicht alle<br />
wahrnehmen. Politik könne auch mit<br />
zu vielen Informationen die Öffentlichkeit<br />
„erschlagen“ und täuschen. �<br />
Andreas von Delhaes<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 3/20<strong>05</strong>