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II. Fichtes öffentliche Lehre

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Philosoph heisst uns derjenige, dessen Erkenntniss durchaus frei und vollendet ist … er ist<br />

darum ein theoretisch Wissenschaftlicher. Was aber noch mehr? Er lebt und wirkt die<br />

philosophische Erkenntniss: das dort Ruhende und Unthätige ist hier Trieb und Bestimmung<br />

eines weltschaffenden Lebens geworden. In ihm ist die Philosophie Schöpfer des Seyns, also<br />

angewendet. Anwendung der Philosophie ist ein sittliches Leben (FG VIV, 388f.).<br />

Mit ihrer Anwendbarkeit soll sich die Philosophie somit ein weltschaffendes,<br />

schöpferisches Moment gewinnen, das sie von der bloßen Theorie oder Kritik<br />

unterscheidet.<br />

Diese Idee einer angewandten Philosophie erschöpft sich dabei keineswegs in einer<br />

bloß theoretischen Applikation der Transzendentalphilosophie auf die<br />

unterschiedlichen Gebiete der empirischen Wissenschaften. Gerade der späte Fichte<br />

vertritt noch einmal unmissverständlich den Anspruch der Philosophie, nicht nur eine<br />

geschichtsdeutende, sondern sogar geschichtsbestimmende Bildungsmacht sein zu<br />

wollen. Die Philosophie „in der Anwendung heisst eben: im Leben, Wirken und<br />

Erschaffen, als eigentliche, die Welt bildende Grundkraft; sie tritt an die Spitze der<br />

Weltgestaltung im eigentlichen und höchsten Sinne“ (FW IV, 389).<br />

Dabei unterscheidet Fichte zwei Weisen der praktischen Anwendung. Der<br />

unmittelbaren Umsetzung der Theorie in die konkrete Handlung setzt er die<br />

redepraktische Anwendung zur Seite. Es müssten auch „Vorträge über das geistige<br />

Leben, … angewendete Philosophie … genannt werden“ (FW IV, 389f.). Diese, die<br />

durch Bilder des Sein-Sollenden zum Handeln auffordert, sei dann insofern „als<br />

Weisheit, Leiterin des Lebens und Wirkens zu betrachten; – was man sonst auch<br />

nennt: praktische Philosophie“ (FW IV, 390).<br />

Mit <strong>Fichtes</strong> Aussage, dass die redepraktische Anwendung der Philosophie<br />

‚praktische Philosophie‘ sei, verbindet sich zugleich eine Kritik, die auf die<br />

Zweideutigkeit des Titels ‚praktische Philosophie‘ aufmerksam macht. Praktische-<br />

Philosophie kann nämlich einerseits als normative philosophische Wissenschaft und<br />

andererseits als praktische Wirksamkeit der Philosophie in der geschichtlichen<br />

Lebenswelt verstanden werden. Die angewandte Philosophie <strong>Fichtes</strong> verbindet nun<br />

diese beiden Bedeutungsmomente praktischer Philosophie, um dem „ethische(n)<br />

Idealismus“ 8 der Wissenschaftslehre durch redepraktische Anwendbarkeit Eingang ins<br />

geschichtliche Leben zu verschaffen.<br />

Im Gegensatz dazu enthält das gewöhnliche Verständnis der prakti-<br />

8 H. Heimsoeth, Fichte, München 1923, 79.<br />

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