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II. Fichtes öffentliche Lehre

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Diese stets erneute, glaubwürdige Erfindung des Absoluten in der sich ständig<br />

verändernden menschlichen Lebenswelt ist die eigentliche Aufgabe der Metaphysik.<br />

Der gesamte Aufwand an literarischen Formen und Gedankenfiguren, den der<br />

metaphysische <strong>Lehre</strong>r betreibt, zielt nämlich letztlich nur auf die gelingende Reinventio<br />

des Absoluten in der selbsteigenen Einsicht des Hörers, ohne die freilich<br />

tatsächlich der Anschein entsteht, als sei „von Nichts geredet“ (ebd.). Die<br />

überzeugende Erfindung des Absoluten meint also mehr als die blinde Konstruktion<br />

oder bloße Fiktion. Die Rhetorik der Metaphysik hofft, zu wirklicher Einsicht führen<br />

zu können. Dabei baut sie auf ein Vernunftpotential, das sie mit Kant als „Naturanlage<br />

(metaphysica naturalis)“ (AA <strong>II</strong>I, 41) in jedem Menschen voraussetzt, ohne allerdings<br />

seine Verwirklichung in freier Einsicht logisch erzwingen zu können. Die<br />

geschichtliche Kontingenz der Metaphysik bildet die unabdingbare Kehrseite der<br />

Freiheit ihres Wissens.<br />

Dass die Wirklichkeit der Vernunft in der Geschichte eben kein Werk der<br />

Notwendigkeit, sondern freier Überzeugung bildet, fordert schließlich stets von<br />

Neuem die Rhetorik der Metaphysik heraus. Von ihrem Gelingen wird auch in<br />

Zukunft die Präsenz des Absoluten in einer sich ständig verändernden Welt abhängen.<br />

Das Beispiel der deutschen Idealisten lehrt jedenfalls einen rhetorischen Geist, für den<br />

der beklagte ‚Tod Gottes‘ in der Moderne kein unabwendbares ‚Seinsgeschick‘<br />

darstellt, sondern die Herausforderung zu neuen Formen öffentlich überzeugender<br />

<strong>Lehre</strong>. Nicht zuletzt bedarf es immer wieder der Gelehrten, um das gelehrte Absolute<br />

zu neuem geschichtlichem Leben zu erwecken.<br />

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