22.08.2013 Aufrufe

II. Fichtes öffentliche Lehre

II. Fichtes öffentliche Lehre

II. Fichtes öffentliche Lehre

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

12<br />

von Peitho und Aletheia paradigmatisch auf eine dreifache rhetorische Differenz, die<br />

die spekulative Rede innerhalb dieser Topographie zu überbrücken hat. Sowohl der<br />

Aufstieg, die Vergegenwärtigung der metaphysischen Vernunftwahrheit und<br />

schließlich der Wiederabstieg in die Lebenswelt haben einen persuasiven Charakter.<br />

Dabei lässt sich die spekulative Rede der Metaphysik jeweils in aszendierende,<br />

demonstrierende oder reszendierende Redeweisen unterteilen.<br />

Als aszendierende Rede steigt sie vom Standpunkt des gewöhnlichen Bewusstseins<br />

zu dem der spekulativen Philosophie auf und findet sich vorwiegend in Texten des<br />

propädeutischen Vernunftgebrauchs. Ein klassischer Text der Antike dieser<br />

„Überredung zur Einsicht“ 14 , der den persuasiven Charakter der philosophischen Rede<br />

sowohl vorführt als auch theoretisch reflektiert, bildet z. B. Platons Phaidros. Die<br />

demonstrative Rede, die sich in der rhetorischen Differenz zwischen dem<br />

transzendenten Absoluten und seiner sprachlichen Formulierung bewegt, überwiegt in<br />

den systematischen Texten des eigentlich spekulativen Vernunftgebrauchs. Die<br />

reszendierende Rede bildet dagegen die Inversion der aszendierenden. Sie durchläuft<br />

die rhetorische Differenz zwischen Normalität und Metaphysik in umgekehrter<br />

Richtung und versucht, der philosophischen Wahrheit in der geschichtlichen<br />

Lebenswelt allgemeine <strong>öffentliche</strong> Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Texte dieses<br />

<strong>öffentliche</strong>n Vernunftgebrauchs sind z. B. der 7. Platonbrief, Kants berühmter Artikel<br />

Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? oder Schellings Münchener Rede Über<br />

das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur. 15<br />

Die demonstrative Rede kämpft vor allem mit dem ‚sachlichen‘<br />

Darstellungsproblem der Metaphysik. Die rhetorische Differenz liegt in dieser<br />

Hinsicht zwischen der außersprachlichen Evidenz des Absoluten einerseits und den<br />

Formen seiner sprachlichen Aneignung im diskursiven Medium der Rede andererseits.<br />

Ein gutes Beispiel, in dem diese Differenz des Absoluten zur spekulativen Rede im<br />

Medium der Rede eigens reflektiert wird, findet sich im zweiten Vortrag von <strong>Fichtes</strong><br />

Wissenschaftslehre von 2 1804. Hier führt der Versuch einer ‚Darstellung des<br />

Absoluten‘ im Medium der spekulativen Rede schließlich zu <strong>Fichtes</strong> selbstkritischem<br />

Eingeständnis: „alles Aussprechen oder nachconstruiren = begreifen ist in sich<br />

mittelbar“ (GA<br />

{{ Seite 12 }}<br />

14 Vgl. H. Niehues-Pröbsting, Überredung zur Einsicht. Der Zusammenhang von Philosophie und Rhetorik bei<br />

Platon und in der Phänomenologie, Frankfurt a.M. 1987, 152–202.<br />

15 Vgl. P.L. Oesterreich, Philosophen als politische <strong>Lehre</strong>r, 120–169.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!