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II. Fichtes öffentliche Lehre

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So entsteht <strong>Fichtes</strong> eigene Philosophie, die Wissenschaftslehre, aus dem Versuch,<br />

Kant verständlich und mitteilbar zu machen. Auf der Suche nach einer<br />

Darstellungsform, die sich besser für die <strong>Lehre</strong> eignet, modifiziert Fichte gemäß den<br />

von der klassischen Rhetorik vertretenen Tugenden der Klarheit (perspicuitas) und<br />

der Angemessenheit (decorum) seine Vorgabe. Diese Veränderung der kantischen<br />

Philosophie lässt sich anhand der rhetorischen Künste der Gedankenfindung<br />

(inventio), Anordnung (dispositio) und sprachlichen Ausdrucksgestaltung (elocutio)<br />

näher bestimmen. Sie betreffen – jedenfalls in <strong>Fichtes</strong> Selbstverständnis – nicht den<br />

Bereich der philosophischen Erfindung der Grundgedanken, d. h. die philosophische<br />

inventio, sondern nur ihre systematisch-methodische Anordnung und ihre sprachliche<br />

Darstellungsform, d. h. die philosophische dispositio und elocutio. Erstens soll die<br />

logische Deutlichkeit durch eine systematische Deduktion, die konsequent von<br />

Grundsätzen zu Lehrsätzen voranschreitet, bis zur Evidenz gesteigert werden. „Kurz,<br />

wir werden, wie ich glaube, in ein Paar Jahren eine Philosophie haben, die es der<br />

Geometrie an Evidenz gleich thut. Was meinen Sie, daß daraus für die Menschheit<br />

folgen werde?“ (GA <strong>II</strong>I, 2, 28). Zweitens soll eine neue ästhetische Deutlichkeit des<br />

sprachlichen Ausdrucks durch eine neue philosophische Sprache geschaffen werden.<br />

„Ich denke seit einiger Zeit gar sehr darauf, der Philosophie auch eine<br />

geschmeidigere, u. besonders eine teutsche Mundart zu verschaffen“ (GA <strong>II</strong>I, 2, 47).<br />

Zu diesen Verbesserungen der dispositionellen und sprachlichen Darstellungsform<br />

kommen weitere Überlegungen zur lehrhaften Mitteilung der Philosophie. So bereitet<br />

sich Fichte offensichtlich sorgfältig auf seine Vorlesungstätigkeit vor und denkt im<br />

Zuge seiner Berufung an die Universität Jena daran, „statt die trokne Speculation<br />

fortzusetzen, Pläne zur Mittheilung derselben in meinen Vorlesungen (zu) entwerfen“<br />

(GA <strong>II</strong>I, 2, 55). Das Ergebnis dieser Überlegungen ist später der genetische<br />

Vortragsstil, der einen Gedankengang nach und nach vor dem inneren Auge der<br />

Zuhörer entwickelt und sie so an der Erfindung und Ausarbeitung der Philosophie<br />

beteiligt.<br />

Mein Vortrag ist immer synthetisch; ich werfe meine Gedanken nie hin, wie ich sie<br />

unsichtbar in meiner Studirstube gedacht habe, sondern ich denke sie, finde sie, entwikle sie<br />

vor den Augen der Hörer, und mit Ihnen; ich bemühe mich dabei den strengsten logischen<br />

Gang auch in den kleinsten Theilen des Vortrags zu gehen … Hierauf scheint mir der Grund<br />

aller Deutlichkeit zu beruhen: Noch höhere kann nicht anders erreicht werden, als durch<br />

häufige Beispiele, wo die Natur der Sache es erlaubt, und durch Vorzeichnung des Ganges<br />

der Spekulation an einer Tafel (GA 111, 2, 60f.).<br />

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