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II. Fichtes öffentliche Lehre

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56<br />

e) ‚Gewandtheit in der Gestaltung der Idee‘:<br />

Rhetorische Kompetenz als philosophische Kardinaltugend<br />

Die Eingebundenheit seiner Philosophie in „ethische Projekte, und das heißt für Fichte<br />

letztlich … in das allumfassende Projekt der Menschheit“ 9 führt zu einer<br />

ausführlichen Reflexion ihrer redepraktischen Anwendung. Philosoph im eigentlichen<br />

Sinne ist – analog zu Kants <strong>Lehre</strong>r im Ideal – nicht der reine Theoretiker, sondern der<br />

Gelehrte, der die vielfältigen Formen der akademischen und <strong>öffentliche</strong>n <strong>Lehre</strong><br />

vollständig beherrscht. Dabei hat das Problem der Lehrbarkeit der Wissenschaftslehre<br />

Fichte immer wieder beschäftigt. Schon in seinen frühen Jenaer Vorlesungen über die<br />

Bestimmung des Gelehrten von 1794 hatte Fichte betont, dass der Gelehrte „ganz<br />

besonders die Pflicht (hat), die gesellschaftlichen Talente, Empfänglichkeit und<br />

Mittheilungsfertigkeit, vorzüglich und in dem höchstmöglichen Grade auszubilden“<br />

(GA I, 3, 55). Der Lehr- und Mitteilungsaspekt rückt dann besonders in den späteren<br />

Vorlesungen Über das Wesen des Gelehrten und seine Erscheinungen im Gebiete der<br />

Freiheit aus dem Jahre 1805 ins Zentrum ausführlicherer Überlegungen zur Rhetorik<br />

der philosophischen <strong>Lehre</strong>.<br />

Demnach ist es die Aufgabe des Gelehrten, durch schriftliche oder mündliche<br />

Mitteilung an andere, „die Erkenntniss der Idee unter den Menschen zu erhalten und<br />

zu verbreiten“ (FW VI, 352). Dabei gibt Fichte der „unmittelbare(n) und<br />

persönliche(n) freie(n) Mittheilung“ (FW VI, 416) des akademischen <strong>Lehre</strong>rs, der die<br />

Fähigkeit, Ideen selbstständig zu fassen, erzeugt und nicht wie bei der schriftlichen<br />

Mitteilung bereits voraussetzt, den Vorrang. <strong>Fichtes</strong> Konzeption der philosophischen<br />

<strong>Lehre</strong> durch „mündliche Vorträge“ (FW IV, 429), gemäß der die Philosophie nur im<br />

unmittelbaren Umgang mit der Persönlichkeit des Gelehrten vermittelt werden kann,<br />

steht in bester idealistischer Tradition. Sie greift der Sache nach Platons Idee einer<br />

philosophischen Redekunst und seine entsprechende Kritik der Schriftlichkeit im<br />

Phaidros wieder auf. 10 Ähnlich wie Platons philosophische Rhetorik, die eine Art<br />

„Seelenführung durch Rede“ 11 darstellt, entwickelt Fichte eine Konzeption lehrhafter<br />

Redepraxis, die gerade<br />

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9 H. Girndt, „<strong>Fichtes</strong> Begriff der Philosophie und der philosophischen Bildung“, in: H. Girndt / L. Siep<br />

(Hrsg.), <strong>Lehre</strong>n und Lernen der Philosophie als philosophisches Problem, Bd. I, Essen 1987, 55–77, hier:<br />

58.<br />

10 Vgl. Platon, Phaidros, 259b–277a.<br />

11 A. a. O., 261b.

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