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II. Fichtes öffentliche Lehre

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In der Aufgabe, die offensichtlichen Darstellungsprobleme der kantischen<br />

Philosophie zu lösen, sieht Fichte sofort seine eigentliche Bestimmung: „Ich werde<br />

dieser Philosophie wenigstens einige Jahre meines Lebens widmen; und Alles, was<br />

ich, wenigstens in mehreren Jahren von jetzt an schreiben werde, wird über sie seyn.<br />

Sie ist über alle Vorstellung schwer, und bedarf es wohl, leichter gemacht zu werden“<br />

(GA <strong>II</strong>I, 1, 171).<br />

Dabei soll die Aufhebung der Differenz zwischen philosophischer Spekulation und<br />

Leben vor allem der moralischen Dekadenz des Zeitalters entgegenwirken.<br />

Die Grundsätze derselben sind freilich kopfbrechende Speculationen, die keinen<br />

unmittelbaren Einfluß auf’s menschliche Leben haben; aber ihre Folgen sind äußerst wichtig<br />

für ein Zeitalter, dessen Moral bis in seine Quellen verdorben ist; und diese Folgen der Welt<br />

in einem anschaulichen Lichte darzustellen, wäre, glaube ich, Verdienst um sie (ebd.).<br />

Der Rhetorik und seinem persönlichen Talent zur Beredsamkeit misst Fichte bei der<br />

Lösung dieser von Kant offen gelassenen Aufgabe einer populären Philosophie eine<br />

Schlüsselposition zu. „Nach meinem Plane werde ich … Nichts thun, als eben diese<br />

Grundsätze populär, und durch Beredtsamkeit auf das menschliche Herz wirksam zu<br />

machen suchen. Diese Beschäftigung steht mit der Bestimmung eines Predigers in<br />

einer sehr nahen Beziehung“ (GA <strong>II</strong>I, 1, 172). Die Entdeckung der kantischen<br />

Philosophie führt bei Fichte also nicht zu einem Bruch mit der Rhetorik. Im Gegenteil<br />

soll durch ihre Integration der systematischen und gründlichen Philosophie endlich die<br />

– auch von Kant – gesuchte Popularität hinzugewonnen werden. Kant hatte sich vor<br />

allem durch seine Ablehnung der Beredsamkeit (ars oratoria), die er als „die Kunst zu<br />

überreden, d. i. durch den schönen Schein zu hintergehen“ (AA <strong>II</strong>I, 216)<br />

abqualifizierte, diesen Weg zur Verwirklichung des Ideals einer sowohl gründlichen<br />

als auch populären Philosophie selbst verlegt. 6 Fichte, der aufgrund von Neigung und<br />

Vorbildung ein<br />

{{ Seite 30 }}<br />

6 Trotz seiner kritischen Destruktion der zeitgenössischen Schulrhetorik ist das Verhältnis Kants zur<br />

Rhetorik-Tradition aber schon in seiner Kritik der Urteilskraft weit vielschichtiger als die oberflächliche<br />

Vorstellung des reinen Rhetorikverächters wahrhaben möchte. Neben der kritischen Destruktion der ars<br />

oratoria als ‚hinterlistiger Kunst‘ findet sich hier auch die Hochschätzung eines ‚Redners ohne Kunst‘, die<br />

sich auf Ciceros Ideal des vir bonus dicendi peritus beruft. Ferner entstammen zentrale Kategorien der<br />

ästhetischen Theorie Kants der klassischen Rhetorik, die zugleich von ihm eine aufschlussreiche,<br />

transzendental vertiefte Deutung erfahren. (Vgl. P. L. Oesterreich, „Das Verhältnis von ästhetischer Theorie<br />

und Rhetorik in Kants Kritik der Urteilskraft“.)

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