II. Fichtes öffentliche Lehre
II. Fichtes öffentliche Lehre
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diesem öffentlich als der „hellste Denker unsers Zeitalters“ (GA I, 4, 236) gefeiert.<br />
Früh bemüht sich Fichte um die Freundschaft Jacobis und schreibt ihm schon kurz<br />
nach der Entdeckung seiner Wissenschaftslehre am 29. September 1794: „Ist irgend<br />
ein Denker in Deutschland, mit welchem ich wünsche und hoffe in meinen besondern<br />
Ueberzeugungen übereinzustimmen, so sind Sie es“ (GA <strong>II</strong>I, 2, 202).<br />
In seinem Brief vom 26. April 1796 betont er noch einmal ausdrücklich: „Ja theurer<br />
edler Mann, wir stimmen ganz überein“ (GA <strong>II</strong>I, 3, 18). Dieses exklusive Verhältnis<br />
zu Jacobi währt vonseiten <strong>Fichtes</strong> bis in die Zeit des Atheismusstreits fort. So schreibt<br />
Fichte noch am 18. Januar 1799 an Jacobi: „Bei Ihnen suche ich nicht Theilnahme,<br />
Verwendüng oder deß Etwas, sondern mehr, ich suche Freundschaft“ (GA <strong>II</strong>I, 3, 176).<br />
Ferner bekennt er in seiner Appellation an das Publikum sogar öffentlich sein intimes<br />
geistiges Verhältnis zu Jacobi:<br />
Und unter den Philosophen du, edler Jacobi, dessen Hand ich zutrauungsvoller fasse; so<br />
verschieden wir auch über die bloße Theorie denken mögen, das, worauf es hier ankommt,<br />
hast du schon längst, gerade so, wie ich es denke, gesagt, mit einer Kraft und Wärme gesagt,<br />
mit welcher ich es nie sagen kann, hast es zur Seele deines Philosophirens gemacht (GA I, 5,<br />
447f.).<br />
Dass alle diese Bekundungen der tiefen Geistesverwandtschaft zu Jacobi bei dem Rest<br />
der Welt auf völliges Unverständnis stoßen könnten, war Fichte dabei durchaus<br />
bewusst: „Es wäre also sehr möglich, da Jeder andere, denn Sie, meine<br />
Uebereinstimmung mit Ihnen nicht eben so bemerkte, als sie mir selbst klar ist“ (GA<br />
<strong>II</strong>I, 3, 18).<br />
Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass der fichtesche Glaube an eine<br />
tiefgreifende geistige Verbundenheit mit Jacobi mehr ist als eine subjektive Projektion<br />
und sich durchaus auf objektive, systematische Gründe stützen kann. Sein Ursprung<br />
liegt vor allem in der von Jacobi geleisteten Kritik am Kantianismus, die Fichte in der<br />
Beilage von Jacobis theoretischem Hauptwerk David Hume über den Glauben oder<br />
Idealismus und Realismus aus dem Jahre 1787 vorfand. Fichte hat die Leistung dieser<br />
Kritik Jacobis, die die Unhaltbarkeit der dogmatischen Annahme des Dings an sich<br />
schonungslos aufgedeckt hatte, insbesondere in seinem Versuch einer neuen<br />
Darstellung der Wissenschaftslehre ausdrücklich anerkannt:<br />
Aber – was das wunderbarste bei der Sache ist – die Entdeckung, daß Kant von einem vom<br />
Ich verschiedenen Etwas nichts wisse, ist nichts weniger, als neu. Seit zehn Jahren konnte<br />
jedermann den gründlichsten und vollständigsten Be-<br />
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