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II. Fichtes öffentliche Lehre

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eigentlicher Rede um. Der epische Stil bildet in Schellings Augen keine künstlich<br />

figurative Redeweise, sondern die eigentliche und natürliche Darstellungsform des<br />

philosophischen Wissens, ebenso wie die zeitgenössische Wissenschaftsprosa ihre<br />

uneigentliche Schwundstufe verkörpert. Schellings programmatische Abkehr von der<br />

geläufigen Wissenschaftsprosa und seine Zukehr zum Ideal des spekulativen Epos<br />

bedeutet in seinen Augen eine Rückkehr aus ihrer stilistischen Entfremdung.<br />

In diesem programmatischen Ideal des spekulativen Epos drückt sich die<br />

Haupttendenz des historiopoetischen Weltalter-Idealismus aus, Philosophie, Historie<br />

und Kunst wieder zu vereinigen. Das provokante und auf den ersten Blick<br />

missverständliche Diktum – „Was hält sie zurück die geahndete goldne Zeit, da die<br />

Fabel wieder zur Wahrheit und die Wahrheit zur Fabel wird?“ (S 112) – verkündet<br />

keine Auslieferung wissenschaftlicher Wahrheit an das Fabulöse willkürlicher<br />

Phantasie, sondern weist stattdessen auf die – die Philosophie Schellings überhaupt<br />

bewegende – ausstehende Versöhnung von Vernunft und Einbildungskraft hin.<br />

‚Fabel‘ meint hier mythos im Sinne der Poetik des Aristoteles, d. h. die dichterische<br />

Fügung einzelner Handlungselemente zum sinnvollen Handlungsgefüge einer<br />

Komödie oder Tragödie. Nun bedarf nach Schelling auch die Geschichtswissenschaft,<br />

insofern sie mehr sein will als eine bloße Chronik oder ein pragmatisches Konstrukt<br />

subjektiver Interessen, der „historischen Kunst“ (SW V, 310), die den objektiven Sinn<br />

der Ereignisse sichtbar werden lässt. Ihre poetische Synthesis vermag es, aus den<br />

anscheinend chaotischen und vieldeutigen Stoffmassen des historischen Geschehens<br />

selbst heraus eine sinnvolle und erzählbare Geschichte zu formen.<br />

Mit der geschichtlichen Wendung des Idealismus in den Weltaltern zieht nun auch<br />

das Moment der historischen Kunst in die Philosophie ein. Dies erklärt auch ihren<br />

außergewöhnlichen Gesamtstil, denn „Kunst ist symbolisch“ (SW V, 411). Dieser<br />

neue symbolische Stil, der sowohl die gedankliche Ordnung als auch die sprachliche<br />

Gestaltung des spekulativen Epos bedingen soll, erklärt sich wiederum aus Schellings<br />

Theorie der produktiven Einbildungskraft. Demnach entspringen sowohl der<br />

allegorische als auch der schematische und symbolische Stil der produktiven<br />

Einbildungskraft und stellen jeweils eine spezifische Verbindung des bildhaft<br />

Konkreten mit dem begrifflich Allgemeinen dar. Allerdings bleiben die allegorischen<br />

und schematischen Formen defizitär. Das Allegorische leidet an einem Übergewicht<br />

bildhafter Konkretion und einem entsprechenden Mangel allge-<br />

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