22.08.2013 Aufrufe

II. Fichtes öffentliche Lehre

II. Fichtes öffentliche Lehre

II. Fichtes öffentliche Lehre

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

118<br />

wendig „als eine, in sich selbst geschloßne, und vollendete, und absolut<br />

unveränderliche Einerleiheit, zu denken sey“ (ebd.), bestätigt den anfänglichen<br />

Seinsgedanken der klassischen Metaphysik. Damit kommt es in der Anweisung<br />

zweifellos zu einer Teilrehabilitierung der vorkritischen Metaphysiktradition, die die<br />

frühere Dogmatismuskritik <strong>Fichtes</strong> im Ganzen verworfen hatte.<br />

Zugleich weist Fichte aber aus transzendentalkritischer Sicht auf das gravierende<br />

Defizit der klassischen Metaphysik hin, deren objektivistische Ontologie die Tatsache<br />

übersieht, dass das Sein für uns niemals unmittelbar, sondern immer nur in der Form<br />

unseres subjektiven Bewusstseins da ist. Ontologisch formuliert ist unser Bewusstsein<br />

das reflexiv unhintergehbare „Daseyn des Seyns“ (GA I, 9, 86). Der schon bei<br />

Parmenides hervorgetretene objektive Seinsgedanke – „Nur das Seyn ist“ (GA I, 9,<br />

58) – muss daher durch den modernen transzendentalkritischen Gedanken – „das Ist<br />

zu dem Seyn“ ist das „Bewußtseyn des Seyns“ (GA I, 9, 87) – ergänzt werden. Das<br />

entscheidende Defizit der klassischen Ontologie ist, dass sie nur Seins- und nicht<br />

zugleich Daseins- oder Bewusstseinslehre zu sein vermag. Deshalb kommt sie,<br />

konsequent gedacht, „bloß zu einem, in sich selber Verschlossenen, Verborgenen, und<br />

Aufgegangenen, Seyn: – aber noch keinesweges zu einem Daseyn, ich sage Daseyn,<br />

zu einer Aeußerung und Offenbarung, dieses Seyns“ (GA I, 9, 86).<br />

<strong>Fichtes</strong> Neuansatz einer transzendentalkritisch aufgeklärten Ontologie, die sowohl<br />

Seins- als auch Daseins-, d. h. Bewusstseinslehre sein will, führt allerdings zu einem<br />

erkenntnistheoretisch problematischen Ergebnis. Insofern das Denken nicht in die<br />

dogmatische Metaphysik zurückfallen will, muss es nämlich kritisch an der<br />

ontologischen Differenz zwischen dem in sich verschlossenen absoluten Sein und<br />

seinem äußeren Dasein im Bewusstsein festhalten. Damit kann aber das Sein als Sein<br />

niemals selbst im Dasein auftreten und zum Gegenstand des Bewusstseins werden.<br />

Das Wissen des menschlichen Selbstbewusstseins besitzt somit lediglich den<br />

„Charakter des bloßen Bildes“ (GA I, 9, 88). Die bloße Bildhaftigkeit des gesamten<br />

gegenständlichen Welt- und Selbstbewusstseins begründet Fichte<br />

transzendentalphilosophisch ferner dadurch, dass das Wissen des menschlichen<br />

Selbstbewusstseins dem Reflexionsgesetz unterliegt. Demgemäß können wir etwas als<br />

etwas nur im Unterschied zu seinem Gegenteil deutlich erfassen und begreifen. Fichte<br />

lässt in seiner Religionslehre die eigentümliche Ambivalenz der Reflexion somit<br />

scharf hervortreten. Als Prinzip aller Begreiflichkeit eignet ihr nämlich ein<br />

bemerkenswerter Doppelsinn: einerseits ermöglicht die Reflexion die Welt<br />

{{ Seite 118 }}

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!