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II. Fichtes öffentliche Lehre

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schen Philosophie als bloß theoretischer Disziplin aus <strong>Fichtes</strong> Sicht ein Defizit, das<br />

vor dem Hintergrund der Unterscheidung von Wissenschaft und lebensweltlicher<br />

Tatbegründung sichtbar wird.<br />

Dem rein Wissenschaftlichen ist entgegengesetzt das unmittelbar Praktische,<br />

Tatbegründende, das, was sich anknüpft unmittelbar an die Geschichte der Gegenwart. –<br />

Dieser Unterschied, wiewohl oft ausgesprochen, ist doch nie, soviel ich weiss, recht erwogen<br />

(FW IV, 393).<br />

Demnach enthält auch die praktische Philosophie als reine philosophische<br />

Wissenschaft selbst noch ein unpraktisches Moment. Ihr praktisches Wissen verbleibt<br />

nämlich auf der Seite der Theorie und damit im Gegensatz zur lebensweltlichen<br />

Praxis. Erst durch das zusätzliche Moment ihrer redepraktischen Anwendung in<br />

glaubwürdigen Formen des <strong>öffentliche</strong>n Vernunftgebrauchs vermag sie die Ebene des<br />

Tatbegründenden und damit die konkreten Ethosformen des geschichtlichen Lebens<br />

zu erreichen.<br />

Mit seiner Konzeption einer <strong>öffentliche</strong>n und angewandten Philosophie hofft Fichte<br />

die kantische Zielvorgabe einer neuen Kultur der Vernunft endlich zu erreichen. Die<br />

kritische Reflexion des kontingenten Verhältnisses von reiner Vernunft und realer<br />

Tatbegründung führt Fichte dabei über ein rein szientifisches Konzept der Philosophie<br />

hinaus. Seiner <strong>öffentliche</strong>n <strong>Lehre</strong> liegt die kritische Erkenntnis zugrunde, dass die<br />

theoretische Begründung und Rechtfertigung des praktischen Wissens auf<br />

wissenschaftlichem Gebiet keine notwendige Beziehung auf eine realgeschichtliche<br />

Tatbegründung enthält. Dabei begreift Fichte das kontingente Verhältnis von<br />

philosophischer Vernunft und lebensweltlicher Tatbegründung als rhetorische<br />

Differenz. Es ist eben nicht nur eine zweifellos vorhandene persönliche Vorliebe für<br />

das Rednertum, sondern vor allem das von ihm konsequent zu Ende gedachte<br />

praktische Vernunftinteresse, das – im Unterschied zu Kant – Fichte ganz allgemein<br />

zu einer positiven Integration der Rhetorik in die Philosophie führt. Die Beherrschung<br />

der Rhetorik als Vernunftkunst wird bei ihm geradezu zur Kardinaltugend des<br />

Gelehrten.

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