II. Fichtes öffentliche Lehre
II. Fichtes öffentliche Lehre
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dards der Neuzeit aufbricht, erklären sich schließlich auch systematische Neuansätze<br />
und stilistische Formexperimente.<br />
Das gelehrte Absolute beabsichtigt dabei keineswegs eine dogmatische Apologie<br />
der Metaphysik des deutschen Idealismus, sondern will gerade auf die gefährliche und<br />
risikoreiche Ambivalenz jeder Philosophie aufmerksam machen, die es wagt, vom<br />
Absoluten öffentlich zu reden: Einerseits will sie das Absolute lehren, d. h. im<br />
Element der Rede allgemein verständlich darstellen und in Formen des <strong>öffentliche</strong>n<br />
Vernunftgebrauchs ihrer zeitgenössischen Lebenswelt glaubwürdig vermitteln.<br />
Andererseits gerät sie dadurch in die Gefahr, das so ‚gelehrte‘ Absolute gerade durch<br />
den persuasiven Stil ihrer <strong>Lehre</strong> zu ‚entleeren‘, und so selbst den Verdacht zu<br />
erwecken, dass jede Rede vom Absoluten trügerisch sei. Die Faszination der<br />
triumphalen Rede vom Absoluten, die vor allem das hegelsche System verbreitete,<br />
enthielt bereits selbst den Anfang vom Ende ihrer Glaubwürdigkeit. Der persuasive<br />
Schein, die Metaphysik endgültig als logisch ‚zwingendes‘ System vollendet zu<br />
haben, leitete die Gegenbewegung seiner kritischen Auflösung mit ein, die über<br />
Kierkegaard, Marx, Freud und Nietzsche bis hin zur weitgehend metaphysikkritischen<br />
Philosophie des 20. Jahrhunderts führt.<br />
Dagegen lässt uns die ‚rhetorische Wendung‘ des Denkens die Metaphysik des<br />
deutschen Idealismus gegen die verstellende oder verkürzende Perspektive seiner<br />
Rezeptionsgeschichte neu entdecken. Kant, Fichte und Schelling werden dabei als<br />
weltzugewandte Gelehrte sichtbar, die die Energie ihrer philosophischen Rede aus<br />
dem Wissen um die Kontingenz der Vernunft in der geschichtlichen Lebenswelt<br />
beziehen. Ausgehend von Kants ursprünglichem Programm der Vollendung der<br />
Philosophie in einer neuen ‚Kultur der Vernunft‘ lässt sich zeigen, dass die mit dem<br />
Problem seiner Lehrbarkeit verbundenen Darstellungs- und<br />
Mitteilungsschwierigkeiten die anfängliche Entwicklung des Idealismus bei Fichte<br />
hervortreiben. Die Entdeckung des rhetorischen Geistes in der Metaphysik des<br />
deutschen Idealismus rückt ferner vor allem zwei bisher eher vernachlässigte oder als<br />
peripher betrachtete Kapitel in den Mittelpunkt des Interesses: <strong>Fichtes</strong> <strong>öffentliche</strong><br />
<strong>Lehre</strong> und Schellings Weltalter-Projekt. Die besondere Bedeutung dieser beiden<br />
großen Metaphysik-Projekte <strong>Fichtes</strong> und Schellings besteht darin, dass sie jeweils<br />
eigene Formen <strong>öffentliche</strong>n Vernunftgebrauchs entwickeln, um die extreme<br />
rhetorische Differenz zu überwinden, die die <strong>Lehre</strong> vom Absoluten in der Moderne zu<br />
gewärtigen hat.<br />
Diesem bisher wenig erschlossenen, in seiner Bedeutung kaum er-<br />
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