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April - Experimenta.de

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Joachim Mols<br />

Kirchengeschichte Teil Eins<br />

Ich liebte diesen erhabenen Moment. Je<strong>de</strong>s Mal, wenn ich mit <strong>de</strong>n Messdienern in die Kathedrale<br />

einzog und ich langsam zum Altar schritt, pochte mein Herz vor Freu<strong>de</strong> und tiefempfun<strong>de</strong>nen Glück.<br />

Ich war und bin ein Diener Gottes aus Lei<strong>de</strong>nschaft. Ihn und sein Wort zu verkün<strong>de</strong>n, ist seit frühester<br />

Kindheit meine Berufung.<br />

Und so war ich auch an diesem Sonntag in einer gehobenen Stimmung, als ich im vollen Ornat die<br />

letzten Meter zurücklegte. Kritiker werfen uns vor, wir wür<strong>de</strong>n uns wie die Welt mit Gold schmücken<br />

und so <strong>de</strong>n uns erteilten Auftrag verraten. Aber das ist nicht wahr. Der Schmuck <strong>de</strong>r Kirche ist nicht<br />

materieller Natur. Er macht nur mit äußeren Mitteln jenen geistigen Schatz, <strong>de</strong>r uns zur Verwaltung<br />

anvertraut wur<strong>de</strong>, sichtbar. Das wahre Gold <strong>de</strong>r Kirche ist unsichtbar. Doch unter <strong>de</strong>r glänzen<strong>de</strong>n<br />

Oberfläche ist dieser Hort wertvoller als alle irdischen Schätze <strong>de</strong>s Vatikans. Sie sind nur Hülle, mehr<br />

nicht. Keine Bank <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>n, auch nicht die <strong>de</strong>s Vatikans kann mit Geld aufwiegen, was uns durch<br />

Ihn geschenkt wur<strong>de</strong>.<br />

Ich schritt also im vollen Ornat unter <strong>de</strong>n Klängen unserer altehrwürdigen Orgel auf <strong>de</strong>n Altar zu<br />

und hoffte, meiner Her<strong>de</strong> auch an diesem Tage wie<strong>de</strong>r etwas von <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Glaubens, die in<br />

<strong>de</strong>r Gewissheit <strong>de</strong>r Erlösung liegt, vermitteln zu können. Wie je<strong>de</strong>n Sonntag war ich mir gewiss, sie<br />

ein wenig aus dieser Welt heraus reißen zu können und ihnen eine Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Besinnung auf das<br />

Wesentliche geben zu können.<br />

Als ich nun in dieser Stimmung vor <strong>de</strong>m Altar kniete, um <strong>de</strong>m Höchsten für sein unermessliches<br />

Opfer zu danken, bekam ich einen Schock. Als ich nämlich aufblickte, war er nicht mehr da. Also das<br />

Kreuz war schon noch da. Aber er, um <strong>de</strong>n sich doch alles dreht, war nicht mehr da. Sein gequälter,<br />

von einer Lanze zerstochener Leib war nicht mehr zu sehen. Er war einfach weg. Natürlich musste<br />

es sich um einen Diebstahl han<strong>de</strong>ln, <strong>de</strong>nn das Holz konnte doch nicht selbst zu Leben erwachen,<br />

doch <strong>de</strong>r Dieb konnte auch kein einfacher Dieb sein. Wäre er das gewesen, so hätte er doch mit<br />

Sicherheit das gesamte, übrigens sehr wertvolle, Kruzifix an sich gebracht. Nein, <strong>de</strong>r Dieb wollte<br />

lästern. Sein perfi<strong>de</strong>s Ziel musste gewesen sein, die Gefühle <strong>de</strong>r Gläubigen zu verunsichern und mich<br />

zu beleidigen. Im Namen <strong>de</strong>s geistlosen Materialismus wollte ein vermeintlicher Atheist mit unserem<br />

Herrn sein Spiel treiben. Doch Atheisten gibt es ja gar nicht. Ihr Glaube ist nur das Leugnen <strong>de</strong>s<br />

Offensichtlichen. Er ist ein Übermut, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r immer und überall aktive Teufel hervorbringt, von realer<br />

Natur ist er nicht.<br />

Ich erschrak und wusste im gerechten Zorn nicht, wie ich reagieren sollte. Sollte ich diesen Frevel mit<br />

Ignoranz bestrafen und mit <strong>de</strong>r heiligen Handlung einfach fortfahren, als ob nichts geschehen wäre<br />

o<strong>de</strong>r sollte ich die Messe abbrechen bzw. sie umwan<strong>de</strong>ln in eine Andacht für <strong>de</strong>n Sün<strong>de</strong>r, damit<br />

auch er gerettet wür<strong>de</strong> und gleichzeitig die Polizei rufen, damit sie ihm <strong>de</strong>r verdienten irdischen Strafe<br />

zuführen konnte?<br />

Doch als ich mich immer noch nach<strong>de</strong>nklich umdrehte, war mir, als wür<strong>de</strong>n die Gläubigen das Unglück<br />

gar nicht bemerken. In tiefer christlicher Demut blickten sie zu mir hinauf und warteten darauf, dass<br />

ich mit <strong>de</strong>m Bußgebet beginnen wür<strong>de</strong>.<br />

Ich atmete einmal tief durch und entschloss mich trotz <strong>de</strong>s uns wi<strong>de</strong>rfahrenen Unglücks, die Messe<br />

zu halten. Zu sehr gierte das Herz meiner Schafe nach himmlischer Speise, als das ich ihnen diese<br />

hätte vorenthalten können. Doch just in <strong>de</strong>m Moment, als ich die alten, ehrwürdigen lateinischen<br />

Sätze sagen wollte, hörte ich aus <strong>de</strong>m seitlichen Chorgestühl eine laute Stimme: „Ich bin hier.“. Ich<br />

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12 <strong>April</strong> 2013

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