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Paulo Coehlo<br />
Von Büchern<br />
Auch Bücher sollten auf Reisen gehen und nicht in <strong>de</strong>n eigenen Regalen verstauben, fin<strong>de</strong>t<br />
Paulo Coelho. Wie viele Bücher wollen wir also wirklich besitzen und behalten? Und vor<br />
allem: aus welchem Grund? Der Autor von in <strong>de</strong>n meisten Regalen <strong>de</strong>r Welt vorhan<strong>de</strong>nen<br />
Büchern wie Der Alchimist schreibt hier über seine I<strong>de</strong>e von Besitz und Freiheit und vor<br />
allem seine Liebe zu Büchern. Eine Hommage.<br />
Tatsächlich besitze ich gar nicht so viele Bücher: Vor ein paar Jahren habe<br />
ich, weil ich versuchen wollte, ein Maximum an Qualität mit einem Minimum<br />
an Dingen im Leben zu vereinbaren, einige Entscheidungen getroffen. Das<br />
soll nicht etwa heißen, dass ich mich für ein klösterliches Leben entschie<strong>de</strong>n<br />
habe; ganz im Gegenteil. Aber <strong>de</strong>r Verzicht auf viele Gegenstän<strong>de</strong> gibt uns<br />
große Freiheit. Einige meiner Freun<strong>de</strong> (und Freundinnen) beklagen sich<br />
darüber, dass sie, weil sie zu viele Kleidungsstücke haben, Stun<strong>de</strong>n mit<br />
<strong>de</strong>r Auswahl ihrer Gar<strong>de</strong>robe verbringen. Da ich meine auf Schwarz als<br />
Grundfarbe beschränkt habe, muss ich mich mit diesem Problem nicht<br />
herumschlagen.<br />
www.eXperimenta.<strong>de</strong><br />
Foto: Ricardo Stuckert, Agência Brasil<br />
Aber ich will nicht über Mo<strong>de</strong> sprechen, son<strong>de</strong>rn über Bücher. Um mich auf das Wesentliche zu<br />
konzentrieren, beschloss ich, in meiner Bibliothek nur vierhun<strong>de</strong>rt Bücher zu behalten – einige aus<br />
sentimentalen Grün<strong>de</strong>n, an<strong>de</strong>re, weil ich sie immer wie<strong>de</strong>r lese. Diese Entscheidung habe ich aus<br />
verschie<strong>de</strong>nen Grün<strong>de</strong>n getroffen, und einer davon ist, dass es mich immer traurig stimmt, wie<br />
Bibliotheken, die sorgfältig ein ganzes Leben lang aufgebaut wur<strong>de</strong>n, am En<strong>de</strong> respektlos nach<br />
Gewicht verkauft wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m: Warum soll ich all diese Bän<strong>de</strong> im Haus verwahren? Um meinen<br />
Freun<strong>de</strong>n zu zeigen, dass ich gebil<strong>de</strong>t bin? Als Wandschmuck? Die Bücher, die ich gekauft habe,<br />
sind in einer öffentlichen Bibliothek unendlich viel nützlicher als bei mir zu Hause. Früher konnte ich<br />
sagen, ich brauche sie, weil ich darin etwas nachschlagen möchte. Aber heute brauche ich, wenn<br />
ich eine Information benötige, nur <strong>de</strong>n Computer anzuschalten, ein Passwort einzugeben, und vor<br />
mir erscheint alles, was ich brauche. Im Internet, <strong>de</strong>r größten Bibliothek <strong>de</strong>r Welt. Selbstverständlich<br />
kaufe ich immer noch Bücher – es gibt kein elektronisches Medium, das sie ersetzen könnte. Aber<br />
sobald ich das Buch ausgelesen habe, lasse ich es reisen, verschenke es o<strong>de</strong>r gebe es einer<br />
öffentlichen Bibliothek. Nicht, weil ich Wäl<strong>de</strong>r retten o<strong>de</strong>r großzügig sein will: Ich glaube nur, dass<br />
ein Buch einen eigenen Weg hat und nicht dazu verdammt sein sollte, reglos in einem Regal zu<br />
stehen. Als Schriftsteller, <strong>de</strong>r von Autorenrechten lebt, könnte dies ein Argument gegen mich selber<br />
sein – <strong>de</strong>nn je mehr meiner Bücher gekauft wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>sto mehr Geld verdiene ich. Allerdings wäre<br />
das <strong>de</strong>m Leser gegenüber ungerecht, vor allem in Län<strong>de</strong>rn, in <strong>de</strong>nen die Regierungsprogramme<br />
zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Buchverkaufs zumeist nicht <strong>de</strong>n zwei wichtigsten Auswahlkriterien folgen: <strong>de</strong>r<br />
Freu<strong>de</strong> am Lesen und <strong>de</strong>r Qualität <strong>de</strong>s Textes. Lassen wir also unsere Bücher reisen, von an<strong>de</strong>ren<br />
Hän<strong>de</strong>n berührt und an<strong>de</strong>ren Augen genossen wer<strong>de</strong>n. Jetzt erinnere ich mich vage an ein Gedicht<br />
von Jorge Luis Borges, das von Büchern spricht, die nie wie<strong>de</strong>r aufgeschlagen wer<strong>de</strong>n. Wo ich<br />
jetzt bin? In einer kleinen Stadt in <strong>de</strong>n französischen Pyrenäen. Ich sitze in einem Café, genieße die<br />
Aircondition, <strong>de</strong>nn die Hitze draußen ist unerträglich. Die Gesamtausgabe <strong>de</strong>r Werke von Borges<br />
steht bei mir zu Hause, ein paar Kilometer von <strong>de</strong>m Ort entfernt, an <strong>de</strong>m ich jetzt schreibe. Borges ist<br />
ein Autor, <strong>de</strong>n ich immer wie<strong>de</strong>r lese. Aber warum nicht <strong>de</strong>n Test machen?! Ich gehe über die Straße<br />
und fünf Minuten bis zu einem an<strong>de</strong>ren Café, in <strong>de</strong>m Computer stehen und das <strong>de</strong>n sympathischen<br />
22 <strong>April</strong> 2013