April - Experimenta.de
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zuckte zusammen. Nicht nur aus Schreck, mich ärgerten auch die Lautstärke und überhaupt die<br />
Anwesenheit einer Stimme im heiligsten Bereich, über <strong>de</strong>n das Haus Gottes nun mal verfügt. Eine<br />
Kirche ist kein Stammtisch, an <strong>de</strong>m je<strong>de</strong>r plappern kann, wann immer es ihm beliebt.<br />
Mit einem strengen Blick, <strong>de</strong>r nichts mehr von <strong>de</strong>m eines guten Hirten, son<strong>de</strong>rn mehr <strong>de</strong>m eines<br />
zornigen Propheten hatte, blickte ich zur Seite. Meine Hoffnung war, <strong>de</strong>n Spötter durch das mir<br />
gegebene Charisma zum Schweigen zu bringen.<br />
Joachim Mols, geb. 1967 in Freiburg im Breisgau,<br />
Ich hatte damit allerdings keinen Erfolg. Vielmehr fuhr mir ein Studium <strong>de</strong>r Politologie, Osteuropäischen Geschichte<br />
und Slawischen Literaturwissenschaft in Köln.<br />
weiterer Schreck durch die Glie<strong>de</strong>r. Er stand, viel mehr saß, direkt<br />
Auslandsaufenthalte in <strong>de</strong>r UdSSR (Wolgograd) und<br />
vor mir. Er, <strong>de</strong>n ich tausen<strong>de</strong> Male schon gerufen hatte. Er war Polen (als Praktikant bei Bartoszewski in Warschau).<br />
Chefredakteur <strong>de</strong>r eXperimenta bis 2012. Grün<strong>de</strong>r<br />
gekommen. Er, ja Er, saß seelenruhig im Chorgestühl und blickte<br />
<strong>de</strong>r europäischen Literaturplattform und <strong>de</strong>s Verlages<br />
mich an. Natürlich war er nicht mehr nackt. Auch die Wun<strong>de</strong>n waren für E-Books bestrea<strong>de</strong>rs.<strong>de</strong> (www.bestrea<strong>de</strong>rs.<strong>de</strong>).<br />
In dieser Eigenschaft Herausgeber von Dudley Buffa,<br />
gut verheilt. Insgesamt sah er sogar richtig gut und gesund aus.<br />
Jean DuMont, Carlo Bordini und Antonino Buffa.<br />
Die Kleidung, die aus einer verschlissenen Jeans, ausgetretenen<br />
Turnschuhen und einem weißen, allerdings schon ein wenig abgetragen T-Shirt bestand, war einfach.<br />
Doch unter diesem Aufzug eines einfachen Mannes verbarg sich ein junger und äußerst muskulöser<br />
Körper. Woran ich ihn <strong>de</strong>nnoch erkannte? Nun das ist eine einfache Geschichte. Er war unserem<br />
verschwun<strong>de</strong>nen Gekreuzigten wie aus <strong>de</strong>m Gesicht geschnitten. Obgleich ihm in diesem Moment<br />
je<strong>de</strong>s Anzeichen von Schmerz o<strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>n abging, waren es doch bis ins Detail die Züge seines<br />
Abbil<strong>de</strong>s, die mir hier entgegen lächelten.<br />
Natürlich erstarrte ich. Wie es sich gehört, wollte ich schon auf die Knie fallen und meinen Herrn und<br />
Meister um Vergebung für all die Sün<strong>de</strong>n, die auch ich sicher mal begangen habe, bitten. Doch er<br />
kam mit schnellen Schritten auf mich zu und hob mich hoch. „Das ist nicht nötig. Brü<strong>de</strong>r begrüßen<br />
sich doch nicht so“, sagte er und umarmte mich herzlich, fast wie einen alten Freund. „Fahre nur fort“,<br />
sagte er.<br />
Noch ganz verdattert drehte ich mich um. Die Gemein<strong>de</strong> schien die Anwesenheit jenes Menschen<br />
nicht zu bemerken. Vielleicht überraschte sie ein wenig meine Gestik, aber ansonsten verhielt sie<br />
sich so, wie sie es in <strong>de</strong>n vielen Unterrichtsstun<strong>de</strong>n vor <strong>de</strong>r ersten heiligen Kommunion gelernt hatte.<br />
Warte und schaue auf das, was <strong>de</strong>r Priester als Vertreter <strong>de</strong>s Herrn macht.<br />
„Sie sehen mich nicht“, erklang wie<strong>de</strong>r seine kräftige Stimme. „Es ist nicht nötig. Nur Du siehst und<br />
hörst mich. Noch ist nicht die Zeit gekommen, dass mich alle sehen.“<br />
Ich drehte mich um und begann mit <strong>de</strong>m Confiteor. Wechselte dann aber doch schnell in das<br />
Deutsche, da mir war, als hätte mein edler Gast etwas gemurmelt von wegen „keine Sau, die das<br />
Zeugs“ verstehen wür<strong>de</strong>.<br />
Anschließend begab ich mich mit schlottern<strong>de</strong>n Knien zur Sitzbank und lauschte <strong>de</strong>n Klängen unserer<br />
Orgel. Ehrlich gesagt war ich viel zu nervös, um irgen<strong>de</strong>twas zu <strong>de</strong>nken. Neben mir saß, saß… <strong>de</strong>r<br />
Herr, <strong>de</strong>m ich voller Liebe anhänge und ich brachte kein Wort heraus. Mein Herz lief über und über,<br />
aber ob es vor Glück war, vermag ich nicht zu sagen. Trotz seiner unbestrittenen Liebe, die uns <strong>de</strong>r<br />
Heiland Tag für Tag erweist, ist die Begegnung mit <strong>de</strong>m Heiligen doch stets mit einem gewissen<br />
Timor verbun<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>rs geht es gar nicht. Selbst als gestan<strong>de</strong>ner Theologe kann ich mich nicht<br />
davon frei machen.<br />
Der Hausherr – so muss ich ihn ja wohl nennen - schien die Spiritualität <strong>de</strong>r Musik übrigens nicht<br />
beson<strong>de</strong>rs zu schätzen. Wäre es nicht lästerlich, so wür<strong>de</strong> ich sagen, ihm wäre eine junge Musik<br />
lieber gewesen. Wäre es nicht unglaublich, so wür<strong>de</strong> ich auf Rock o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Musikrichtungen<br />
<strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen Hei<strong>de</strong>ntums tippen. Uriah, The Stones o<strong>de</strong>r noch Schlimmeres. Seine Füße wippten<br />
je<strong>de</strong>nfalls im Takt und es schien, als ob sie verzweifelt versuchten, einen flotteren Rhythmus im<br />
tragen<strong>de</strong>n Gesang zu ent<strong>de</strong>cken.<br />
<strong>April</strong> 2013 13<br />
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