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April - Experimenta.de

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Die „Ägir“ hielt in <strong>de</strong>n nächsten Tagen Kurs. Sie passierte gewaltige Landmassen mit ausge<strong>de</strong>hnten<br />

Wäl<strong>de</strong>rn und Strän<strong>de</strong>n. Als schließlich eisbe<strong>de</strong>ckte Gipfel auftauchten und wie<strong>de</strong>r Treibeis<br />

herandriftete, begriff Bjarni, daß dies nicht die Küstenlinie Britanniens war. Um nicht in die Polargewässer<br />

zu gelangen, befahl er einen neuen Kurs nach Osten. Es dauerte noch vier Tage, bis<br />

auf <strong>de</strong>r „Ägir“ wie<strong>de</strong>r Land gesichtet wur<strong>de</strong>, be<strong>de</strong>ckt von Packeis und mit kalben<strong>de</strong>n Gletschern.<br />

Das mußte Grönlands Westküste sein.<br />

Die „Ägir“ wen<strong>de</strong>te auf Südkurs, und schließlich erreichte sie die Mündung eines eisfreien Fjords<br />

mit unzähligen Inseln. Genau so hatte man Bjarni die Gegend beschrieben, in <strong>de</strong>r Eriks Siedlung<br />

liegen sollte. Sie segelten <strong>de</strong>n Fjord hinauf und kamen schließlich an eine Schiffslän<strong>de</strong>, über<br />

<strong>de</strong>r sich einsam <strong>de</strong>r typische Hof eines norwegischen Bon<strong>de</strong>n erhob. Als sie näherkamen, sah<br />

Bjarni, daß um das Gehöft allerlei Volk zusammenlief. Die „Ägir“ ging vor Anker, und Bjarni und<br />

Thorolf setzten mit einem Beiboot an Land. Ein hochgewachsener Mann mit rotem Haar kam<br />

<strong>de</strong>n Hügel hinab, hinter ihm ein blon<strong>de</strong>r Junge, vielleicht zwölf Jahre alt. Der Junge musterte die<br />

Ankömmlinge, reckte <strong>de</strong>n Hals aber vor allem nach <strong>de</strong>r „Ägir“. Bjarni und Thorolf stellten sich<br />

vor.<br />

„Willkommen auf Brattahlid“, erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r Bon<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Gruß. „Ich bin Erik.“ Er schob <strong>de</strong>n Jungen<br />

nach vorn. „Und dies ist mein Sohn Leif. Kommt zu uns herauf. Ich la<strong>de</strong> die ganze Mannschaft ein<br />

zu Bier und Rentierschinken. Eure Ladung könnt ihr später löschen. Jetzt wird gefeiert.“<br />

Eigentlich hätte Bjarni nach all <strong>de</strong>n Anstrengungen gegen eine Feier nichts einzuwen<strong>de</strong>n gehabt.<br />

Er war sehr froh, nach seiner Irrfahrt endlich wie<strong>de</strong>r festen Bo<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>n Füßen zu haben.<br />

Doch er war noch nicht am Ziel seiner Reise.<br />

„Ich danke dir, Erik“, antwortete er. „Aber ich muß lei<strong>de</strong>r weiter. Ich suche meinen Vater Herjolf.“<br />

„Herjolf wohnt ein paar Meilen südlich. Sein Hof ist leicht zu fin<strong>de</strong>n.“<br />

„Leichter zu fin<strong>de</strong>n als Grönland sicher allemal“, sagte Bjarni. „Wir haben schon gedacht, wir<br />

wären verloren. Wir kommen von Island, sind aber nach Südwest abgetrieben. Den Göttern sei<br />

Dank, daß es so weit draußen noch Land gibt. Nicht auszu<strong>de</strong>nken, was geschehen wäre, wenn<br />

es da nur noch <strong>de</strong>n offenen Ozean gegeben hätte.“<br />

„Land?“ Erik runzelte die Stirn. „Du mußt dich irren. Südwestlich von Grönland gibt es kein Land<br />

mehr.“ Der Junge an seiner Seite hörte aufmerksam zu.<br />

„O doch!“ bestätigte Thorolf. „Tagelang sind wir auf <strong>de</strong>r Fahrt immer wie<strong>de</strong>r auf Land gestoßen.<br />

Wir wollten von Bord, aber Bjarni hat es verboten. War wohl besser so.“<br />

„Das sind ja tolle Neuigkeiten“, sagte Erik und faßte Bjarni an <strong>de</strong>r Schulter. „Du wirst sicher<br />

verstehen, daß ich euch nun nicht mehr gehen lassen kann. Herjolf hat lange auf dich warten<br />

müssen, Bjarni. Er wird noch einen Tag länger warten können. Ihr kommt jetzt mit uns und erzählt<br />

uns eure Abenteuer. Ich dul<strong>de</strong> keinen Wi<strong>de</strong>rspruch.“<br />

Bjarni seufzte, gab jedoch mit einem Nicken nach. Erik <strong>de</strong>r Rote war kein angenehmer Zeitgenosse.<br />

Man hatte ihn aus Island verbannt, weil er zu schnell mit Schwert und Axt bei <strong>de</strong>r Hand war, wenn<br />

es nicht nach seinem Willen ging. Bjarni wollte nicht riskieren, seinen Mißmut auf sich zu ziehen.<br />

Er schickte Thorolf zurück auf die „Ägir“, um die Mannschaft zu holen. Während sich Bjarni von<br />

Erik <strong>de</strong>n Berghang hinaufführen ließ, fühlte er sich auf einmal am rechten Ärmel gezupft. Er blickte<br />

sich um. Eriks Sprößling lief neben ihm her, die Wangen vor Aufregung gerötet.<br />

„Warum habt ihr euch das Land nicht angesehen?“ fragte er.<br />

„Sei nicht so neugierig, Leif“, ta<strong>de</strong>lte sein Vater.<br />

„Wieso? Die Frage ist doch berechtigt. Wenn ich mit einem so schönen Schiff auf frem<strong>de</strong>s Land<br />

stoßen wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> ich es je<strong>de</strong>nfalls erforschen. Das ist doch aufregend.“<br />

<strong>April</strong> 2013 49<br />

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