April - Experimenta.de
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1917 die berühmt gewor<strong>de</strong>nen Worte geschrieben: „Es ist verkehrt anzunehmen, <strong>de</strong>r Mensch sei<br />
Gegenstand <strong>de</strong>s Dramas o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Romans. Sie haben bei<strong>de</strong> we<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n Menschen noch <strong>de</strong>r<br />
Wichtigkeit eines einzelnen HeI<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r seiner Probleme etwas zu tun.“ Und schließlich hat kein<br />
Geringerer als <strong>de</strong>r Schriftsteller Botho Strauss Döblins Worte direkt umgesetzt, wenn er in seinen<br />
Dramen durch die vielen Türen, Fenster und übergroßen leeren Zimmer die periphere Position<br />
<strong>de</strong>s Menschen räumlich inszeniert. In seinem Roman „Rumor“ aus <strong>de</strong>m Jahre 1980, heißt es<br />
<strong>de</strong>nn auch:<br />
Prof. Dr. Mario Andreotti, geb. 1947, lehrt<br />
in St. Gallen und Zürich neuere <strong>de</strong>utsche<br />
Literatur und ist Gastdozent an <strong>de</strong>r<br />
Pädagogischen Hochschule Vorarlberg.<br />
Er ist überdies Mitglied verschie<strong>de</strong>ner<br />
Literaturkommissionen und publiziert<br />
regelmässig zu Themen seines Faches. Sein<br />
Buch Die Struktur <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Literatur gilt<br />
als Standardwerk <strong>de</strong>r literarischen Mo<strong>de</strong>rne.<br />
Bastian Exner<br />
Reinhard Stammer Styx 40x50cm 2012<br />
„Der Mensch muss wissen, dass er seinen Platz wie ein Zigeuner<br />
am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Universums hat.“<br />
Damit stehen wir mitten in <strong>de</strong>r Thematik <strong>de</strong>r philosophischen<br />
und literarischen Mo<strong>de</strong>rne. Diese Thematik zeichnet sich durch<br />
drei zentrale Elemente aus, die sich, etwas verkürzt, wie folgt<br />
darstellen lassen:<br />
1. In dieser Welt ist kein bestimmter Sinn erkennbar, auf <strong>de</strong>n<br />
hin das menschliche Leben, ja das Seien<strong>de</strong> überhaupt, ausgerichtet wäre. Auf die Literatur<br />
übertragen, heißt das: Bekommt etwa in einem traditionellen Roman o<strong>de</strong>r Drama alles, selbst<br />
das Negativste, vom Schluss her seinen Sinn, so entfällt in mo<strong>de</strong>rnen Dichtungen eine solch<br />
harmonisieren<strong>de</strong> Sinngebung weitgehend. Dies weckt dann beim Leser oftmals <strong>de</strong>n Eindruck,<br />
mo<strong>de</strong>rne Texte seien pessimistisch, seien <strong>de</strong>struktiv o<strong>de</strong>r gar nihilistisch.<br />
2. Der Mensch ist nicht die Einheit stiften<strong>de</strong> Kraft, das Sinnzentrum <strong>de</strong>r Welt. O<strong>de</strong>r etwas<br />
abstrakter ausgedrückt: Das menschliche Subjekt gestaltet nicht die ‚Wirklichkeit’, son<strong>de</strong>rn die<br />
‚Wirklichkeit’ bringt sich selbst und das Subjekt in einem dialektischen Prozess hervor. Dies<br />
be<strong>de</strong>utet das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r überkommenen Vorstellung von menschlicher Autonomie. Vor allem aber<br />
be<strong>de</strong>utet es das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Auffassung, das Individuum bestimme <strong>de</strong>n Gang <strong>de</strong>r Geschichte.<br />
Die Verhältnisse sind <strong>de</strong>rart übermächtig gewor<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Mensch unserer Zeit durch sie<br />
gleichsam kollektiviert, ja entpersönlicht wird. Das globale, völlig unüberschaubar gewor<strong>de</strong>ne<br />
<strong>April</strong> 2013 45<br />
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