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wer<strong>de</strong>. Dennoch kann gar kein Zweifel darüber bestehen, daß durch die Reglementierung<br />
<strong>de</strong>r journalistischen Prostitution, durch die grundsätzliche Fatierung<br />
redaktioneller Notizen als Inserate <strong>de</strong>r Kaufwert <strong>de</strong>r journalistischen<br />
Gunst empfindlich lei<strong>de</strong>n wird, und tausend Flüche <strong>de</strong>r Administrationsbüros<br />
donnern <strong>de</strong>m Gesetzgeber nach. Scha<strong>de</strong>nfreu<strong>de</strong> wird zur reinsten sittlichen<br />
Regung, wenn man genug Ohr hat, diesen stummen Groll zu hören eines<br />
durch oberstgerichtlichen Blitz getroffenen Bor<strong>de</strong>llprestiges, dieses Zähneknirschen<br />
zwischen <strong>de</strong>n Zeilen <strong>de</strong>r entwerteten Reklame, diese Wut <strong>de</strong>r Gezeichneten<br />
beim täglichen Anblick <strong>de</strong>s Schandmals aere perennius auf <strong>de</strong>r<br />
Stirnseite, die seit jeher ihr Stolz und ihre Frechheit war. Der Zustand wür<strong>de</strong><br />
zum Paroxysmus ausarten, wenn nicht Hoffnung bestün<strong>de</strong>, daß die für allen<br />
würdigen Anspruch bereite Gna<strong>de</strong> unseres Staatsoberhauptes <strong>de</strong>r Neuen<br />
Freien Presse wenigstens die Milliar<strong>de</strong>nbeute <strong>de</strong>s Raubzugs belassen wer<strong>de</strong>,<br />
<strong>de</strong>n sie unter <strong>de</strong>r herzbewegen<strong>de</strong>n Devise »Für <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n in Mitteleuropa«<br />
gegen die Firmen von Mitteleuropa unternommen hat und <strong>de</strong>n sie selbst nach<br />
<strong>de</strong>m Wahrspruch jenes Wessely gerichtlich und zugunsten <strong>de</strong>r Staatskasse<br />
verantworten müßte. Ehe noch diese Hoffnung in Erfüllung geht, wird hoffentlich<br />
die christliche Reichspost, <strong>de</strong>ren Nächstenliebe vor <strong>de</strong>r Interessengemeinschaft<br />
mit <strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n nicht zurückschrickt und sich zu <strong>de</strong>mselben Kreuze<br />
bekennt, ihren Bezirksrichter gefun<strong>de</strong>n haben. Und ließe sich ein drastischeres<br />
Bekenntnis einer die religiöse und die journalistische Moral zusammenfassen<strong>de</strong>n<br />
Sittlichkeit erfin<strong>de</strong>n als die Sätze, mit <strong>de</strong>nen sie <strong>de</strong>n Bericht über die<br />
oberstgerichtliche Entscheidung eingeleitet hat?<br />
Das sogenannte »Inseratenkreuz«, nämlich das Kreuz, das die<br />
Presse seit <strong>de</strong>m neuen Preßgesetz mit <strong>de</strong>r Frage hat, wie sie entgeltliche<br />
Mitteilungen im redaktionellen Text bezeichnen müsse,<br />
um <strong>de</strong>m Gesetze zu genügen, unterlag heute <strong>de</strong>r Prüfung und Entscheidung<br />
<strong>de</strong>r obersten gerichtlichen Instanz.<br />
Von <strong>de</strong>r Blasphemie in solchem Mun<strong>de</strong> ganz abgesehen wie von <strong>de</strong>r Demut<br />
<strong>de</strong>r Tölpelei, die meinen Hohn, daß es ein Kreuz sei, auf die eigenen<br />
frommen Schultern nimmt, scheint die Reichspost auch zu glauben, man müsse<br />
im redaktionellen Text entgeltliche Mitteilungen bringen. Sie kommt in <strong>de</strong>r<br />
Einfalt ihres korrupten Herzens gar nicht auf die I<strong>de</strong>e, daß aus <strong>de</strong>m Kreuz,<br />
welches die Presse mit <strong>de</strong>r Frage hat, »wie« sie die entgeltlichen Mitteilungen<br />
bezeichnen müsse, <strong>de</strong>r einfachste Ausweg doch <strong>de</strong>r wäre, solche überhaupt<br />
nicht zu haben. Sie entschließt sich statt <strong>de</strong>ssen — und sie schwin<strong>de</strong>lt die Bemerkung<br />
<strong>de</strong>s Gerichtshofs, es sei »nicht möglich«, eine genaue Vorschrift zu<br />
geben, als Kritik eines unzulänglichen Gesetzes vor —, zu einem Ausweg, von<br />
<strong>de</strong>m sie hofft, daß er nicht in das Bezirksgericht zurückführen wird. Sie will<br />
ihn, »um ihren besten Willen zu beweisen, schon von <strong>de</strong>r heutigen Nummer<br />
an« — welche Worte sie in Sperrdruck bringt, als wäre die sofortige Befolgung<br />
ein Beweis beson<strong>de</strong>ren Entgegenkommens — betreten und bringt (da<br />
<strong>de</strong>r Oberste Gerichtshof immerhin empfohlen hat, »auf <strong>de</strong>r ersten Seite <strong>de</strong>s<br />
Blattes in auffälliger Weise« eine Mitteilung über die bezahlten Notizen zu<br />
bringen)<br />
auf <strong>de</strong>r ersten Seite an <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>s Blattes neben <strong>de</strong>m Titelkopfe,<br />
wo die Mitteilungen <strong>de</strong>r Herausgeberschaft an die Bezieher<br />
und Leser stehen, also an <strong>de</strong>r hervorragendsten, vornehmsten<br />
und sichtbarsten Stelle, die in <strong>de</strong>r Urteilsbegründung <strong>de</strong>s Obersten<br />
Gerichtshofes empfohlene Mitteilung.<br />
Wenn die Reichspost nicht auch hier zu gesperrtem Druck griffe, man<br />
wüßte nicht, daß die Stelle, an <strong>de</strong>r sie ihren Bezugspreis annonciert und nun-<br />
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