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mit <strong>de</strong>r Beseitigung <strong>de</strong>s einen Stefan gar nichts getan wäre, in<strong>de</strong>m ja noch<br />
tausend übrigbleiben o<strong>de</strong>r nachwachsen, nein ganz im Gegenteil trage ich im<br />
Sinne <strong>de</strong>s Caligula das Verlangen, daß alle in die Neue Freie Presse kämen,<br />
also gewiß an <strong>de</strong>n schönsten Posten, damit ich es bequemer hätte. Dem letzten<br />
Heft <strong>de</strong>r Fackel ist aber weiß Gott nichts <strong>de</strong>rartiges zu entnehmen, und<br />
jene Schweizer Leser, die sich nun dafür interessieren, wer<strong>de</strong>n sich gröblich<br />
irregeführt und über das Wiener Kunstleben falsch informiert fühlen. Dagegen<br />
wer<strong>de</strong>n sie in jenem eine einzige Drohung fin<strong>de</strong>n, aber auch keine beson<strong>de</strong>rs<br />
gefährliche, und eigentlich mehr eine Hoffnung: nämlich daß ich <strong>de</strong>m<br />
Stefan, <strong>de</strong>r über die Tatsache <strong>de</strong>r Aufführung <strong>de</strong>r »Letzten Nacht« einfältige<br />
Witze gemacht hat, sie »selbst wenn er sie in Zürich zu verstecken glaubt,<br />
schon noch abzugewöhnen hoffe«. Ich habe diese Hoffnung, trotz seinem<br />
Rückfall nicht aufgegeben. Der Paul Stefan versucht aber auch im Ernst, mit<br />
mir anzubin<strong>de</strong>n, was freilich erheitern<strong>de</strong>r ist. Er wirft mir Ungenauigkeit einer<br />
Erkundigung über ihn vor, <strong>de</strong>nn ich hätte ihm vorgehalten, daß er während<br />
<strong>de</strong>s Krieges die Lichtgestalt <strong>de</strong>r Erzherzogin Maria Josefa angeschwärmt<br />
habe. Aber er informiert die Schweizer über mich noch viel ungenauer als ich<br />
die Wiener über ihn, wiewohl er es doch an <strong>de</strong>r Hand eines neuen Heftes <strong>de</strong>r<br />
Fackel viel leichter hatte als ich, <strong>de</strong>m ein altes Heft <strong>de</strong>s 'Donauland' nicht zur<br />
Hand war. Ich habe nicht behauptet, daß er die Lichtgestalt <strong>de</strong>r Erzherzogin<br />
Maria Josefa angeschwärmt hat, son<strong>de</strong>rn nur davon gesprochen, daß ich in<br />
<strong>de</strong>r »Letzten Nacht« <strong>de</strong>n Chorus von Leuten nicht brauchen könnte, »die als<br />
zur Literatur Untaugliche ihre Kriegsdienstleistung in Aufsätzen über 'Kaiser<br />
und Kaiserin' nebst <strong>de</strong>r Lichtgestalt <strong>de</strong>r Kaiserin—Mutter Erzherzogin Maria<br />
Josefa sowie <strong>de</strong>m ganzen Erzhaus absolviert« haben. Damit ist nicht einmal<br />
gesagt, daß <strong>de</strong>r Ausdruck »Lichtgestalt« von Stefan herrührt, son<strong>de</strong>rn bloß<br />
die Fibelsphäre dargestellt, in <strong>de</strong>r die Literaten damals wirken mußten, wenn<br />
sie es vorzogen, Oberleutnants im Kriegsarchiv statt an <strong>de</strong>r Front zu sein, <strong>de</strong>ren<br />
Verabscheuung ihnen von mir ja zuallerletzt verübelt wur<strong>de</strong>. Immerhin<br />
aber habe ich damals von Schriftstellern und weit wertvolleren gewußt, die<br />
mit <strong>de</strong>m gleichen Wi<strong>de</strong>rwillen im Dienste einer ungefühlten Sache an<strong>de</strong>rs entschie<strong>de</strong>n<br />
haben und daran zugrun<strong>de</strong>gegangen sind und lieber für das Vaterland<br />
gestorben, als dafür Propaganda zu machen, daß an<strong>de</strong>re für das Vaterland<br />
starben. Überdies schien mir bei vollster Achtung vor <strong>de</strong>m Selbsterhaltungstrieb,<br />
<strong>de</strong>r unter allen Umstän<strong>de</strong>n natürlicher war als die Begeisterung<br />
für die k. u. k. Monarchie, die moralische Be<strong>de</strong>nklichkeit <strong>de</strong>s Auswegs in die<br />
Kriegsjournalistik vor allem darin gelegen, daß hier die bei<strong>de</strong>n Triebe vereinigt<br />
schienen, daß zum Zweck <strong>de</strong>r Selbsterhaltung die Erhaltung <strong>de</strong>r habsburgischen<br />
Hausmacht propagiert wur<strong>de</strong>, und daß jener natürlichere Drang nicht<br />
mit <strong>de</strong>m gleichfalls gefahrlosen, sittlich höherwertigen, aber unscheinbaren<br />
Posten eines Krankenpflegers o<strong>de</strong>r Mehlmessers vorliebnahm. Wie bin ich<br />
aber nur — anstatt mich genauer nach <strong>de</strong>r literarischen Kriegsleistung <strong>de</strong>s<br />
Pazifisten Stefan zu erkundigen — auf <strong>de</strong>n Ausdruck »Lichtgestalt« gekommen?<br />
Ich gestehe rundweg, daß ich, leichtfertig wie ich bin, seinen Aufsatz<br />
»Kaiser und Kaiserin« — und um diesen, nicht um Zeitungsaufsätze über<br />
Franz Josephs Tod und Karls Thronbesteigung han<strong>de</strong>lt es sich — nicht gelesen<br />
hatte. So wenig wie die Zeitungsaufsätze. Hätte ich das getan, so wäre <strong>de</strong>r<br />
Paul Stefan heute noch weit berühmter. Ich halte mich von solchen Anregungen<br />
geflissentlich, wie ich nur kann, ferne, bin unglücklich, wenn mir jemand<br />
so was einsen<strong>de</strong>t, und lasse es mir an Kritiken und Waschzetteln genügen, die<br />
schon annähernd das Richtige treffen wer<strong>de</strong>n. Ich schrieb also im Mai 1917<br />
die Glosse »Literaten unterm Doppelaar« und da war an <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>s Wasch-<br />
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