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Parodie »We<strong>de</strong>r Lorbeerbaum noch Bettelstab«, <strong>de</strong>ren Ausklang er wie folgt<br />
zitiert:<br />
Ein steiler Felsen ist <strong>de</strong>r Ruhm,<br />
Ein Lorbeerbaum wächst drauf,<br />
Viel' kraxeln drum und dran herum,<br />
Doch wenige kommen 'nauf.<br />
Darneben ist ein Präzipiß,<br />
's geht kerzengrad hinab.<br />
Es heißt: <strong>de</strong>r Bettelstab.<br />
Wer nicht enorm bei Kräften is,<br />
Soll nicht auf'n Felsen steigen,<br />
Er rutscht und fallt ins Präzipiß,<br />
Viel Beispiel' tun das zeigen.<br />
Die Mittelstraßen ist ein breiter Raum,<br />
Die führt kommod talab,<br />
Es wächst zwar drauf kein Lorbeerbaum,<br />
Doch auch kein Bettelstab.<br />
Die Interpunktion ist hier verbessert, aber die Übersetzung von Präzipiß in<br />
Bettelstab beibehalten.<br />
Es heißt: — <strong>de</strong>r Bettelstab<br />
Der ö<strong>de</strong> Überraschungsgedankenstrich ist eigentlich ganz am Platze. Nicht<br />
<strong>de</strong>r Abschreiber und keiner seiner Leser hat gemerkt, daß eine Verszeile fehlen<br />
muß:<br />
Da drunt' ein Holz zu fin<strong>de</strong>n is,<br />
<strong>de</strong>nn we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Unsinn fällt ihnen auf noch das Geklapper. Aber da Nestroy<br />
bekanntlich »bis zum Lorbeer sich nicht versteigt« und nicht die geringste Ursache<br />
hatte, das Dichterhaupt hochzutragen, so verschlägt es für sein An<strong>de</strong>nken<br />
wenig, daß im Spülicht <strong>de</strong>r Zeitung ein Gedicht von ihm untersinkt, wenn<br />
ich nicht zufällig um die Rettung bemüht bin. Es gibt keine Instanz, die jene<br />
zwingen könnte, in einem solchen Fall zu berichtigen, <strong>de</strong>r doch auch viel zu<br />
unerheblich ist, um es freiwillig zu tun, und <strong>de</strong>r Löwy hat hier kein Interesse,<br />
sich zu erinnern.<br />
* * *<br />
Herr Salten überträgt seinen dumpfen Groll gegen mich auf Nestroy, ist<br />
aber wohl auch durch eine feine Charakteristik, die Alfred Polgar gelegentlich<br />
<strong>de</strong>r Burgtheateraufführung <strong>de</strong>s »Jux« schrieb, gereizt:<br />
Man will Nestroy nicht sterben lassen, weil noch manches an ihm<br />
lebendig ist.<br />
Wirklich eine übel angebrachte Humanität.<br />
Auch weil die älteren und die alten Herren unter <strong>de</strong>n Wienern bedingungslos<br />
daran festhalten, daß er noch lebt. Allein, sie irren<br />
sich. Er lebt nicht mehr.<br />
Aber doch manches von ihm?<br />
Sie können sich nur so gut erinnern, ihn einst, an längst versunkenen<br />
Theateraben<strong>de</strong>n, als scharfes Lebenselixier verspürt zu haben.<br />
Und ihre Erinnerung spielt mit, wenn man heute Nestroy<br />
spielt.<br />
Ja wieso <strong>de</strong>nn? Ich bin in <strong>de</strong>n vierziger Jahren fast nie ins Theater gegangen<br />
und habe später nicht so viele anständige Nestroy—Aufführungen mitgemacht.<br />
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