08.10.2013 Aufrufe

Glossen - Welcker-online.de

Glossen - Welcker-online.de

Glossen - Welcker-online.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Aber: nach<strong>de</strong>m ich <strong>de</strong>n Splitter in seinem Aug, <strong>de</strong>r ihn verhin<strong>de</strong>rt hat,<br />

schon damals Neuösterreich nicht zu erblicken, bemerkt habe, ist es auch<br />

höchste Zeit, daß ich <strong>de</strong>s Balkens im eigenen gewahr wer<strong>de</strong> und das Geständnis<br />

ablege, daß alles was da ein bewährter Demokrat über Karl und Zita geschrieben<br />

hat und was, wie man sieht, noch heute bestehen könnte, einfach<br />

nichts ist gegen das, was ich selbst <strong>de</strong>m Franz Joseph nachgerufen habe.<br />

Denn ich habe, Stefan sagt es, sein Kriegsmanifest das einzige wahre Kriegsgedicht<br />

genannt und wenngleich <strong>de</strong>r Wortlaut dieses Urteils nicht ganz genau<br />

zitiert ist, so muß ich doch zugeben, daß er es wesentlich richtig wie<strong>de</strong>rgegeben<br />

hat. Es ist wahr: ich habe jenes erhabene Manifest das »Gedicht« genannt,<br />

»das die tatenvolle Zeit eingeleitete, das einzige Gedicht, das sie bis<br />

nun hervorgebracht hat«. Das steht in <strong>de</strong>m Aufsatz 'In dieser großen Zeit'<br />

(Anfang November 1914) und wiewohl ich es bereits dort auch <strong>de</strong>n »menschlichsten<br />

Anschlag« (Plakat und Plan), <strong>de</strong>n die Straße unserm Auge »wi<strong>de</strong>rfahren«<br />

lassen konnte, genannt habe, stehen im Nachruf' (Januar 1919) noch die<br />

Worte:<br />

Mit einem Satz, <strong>de</strong>r wahrhaftig die volle Bür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Altersweisheit<br />

trägt und die ganze Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Schwergeprüften kürzer als je<strong>de</strong>r<br />

Satz, <strong>de</strong>r zur Brandmarkung <strong>de</strong>s Ungeheuers dient mit einem<br />

Satz, <strong>de</strong>ssen angemaßte Tiefe nur darum echt war, weil <strong>de</strong>r Verfasser<br />

ein an<strong>de</strong>rer war, ein Stilkünstler aus <strong>de</strong>m Ministerium, <strong>de</strong>r<br />

glaubte und darum erlebte (<strong>de</strong>r an die Fackel und <strong>de</strong>nnoch an Österreich<br />

glaubte), mit einem Satz, <strong>de</strong>ssen ausgesparte Fülle <strong>de</strong>n<br />

Schwall aller Kriegslyrik aufwog: mit einem »ich habe alles reiflich<br />

erwogen«, springt die Vergangenheit, die sich nicht zu helfen<br />

weiß, <strong>de</strong>r Welt an die Gurgel.<br />

Es ist also ganz richtig, daß ich 1914 — 1919 <strong>de</strong>r Ansicht war, dieses Manifest<br />

sei das stärkste, das einzige, das wahre Kriegsgedicht, und ich muß gestehen,<br />

daß ich dieser Ansicht auch heute noch bin. Ich hielt und halte dieses Manifest,<br />

diese eine isolierte Zelle — so groß wie das Unglück, welches sie beschloß<br />

—, diese Katastrophe von fünf Worten, diese vortönen<strong>de</strong> Stimme vom<br />

Mars, für stärker als Lissauers Haßgesang, als Ginzkeys Gluck—gluck, als alles<br />

was Kernstock und Strobl und das ganze Kriegsarchiv zur Befeuerung <strong>de</strong>r<br />

Front hervorgebracht haben. Nun ist es aber doch eigentlich ganz ausgeschlossen,<br />

daß es unter <strong>de</strong>n lesen<strong>de</strong>n Menschen und gar unter jenen, die<br />

Schriftsteller sind, einen Kretin gegeben haben kann, <strong>de</strong>m, wenn er selbst im<br />

November 1914 das Lob dieses Kriegsgedichtes für ein Lob <strong>de</strong>ssen, <strong>de</strong>r es signiert<br />

hat, und für ein Lob <strong>de</strong>s Krieges gehalten hätte, nicht <strong>de</strong>r himmelschreien<strong>de</strong><br />

Wi<strong>de</strong>rspruch zu <strong>de</strong>m ganzen sonstigen Inhalt eben<strong>de</strong>sselben Aufsatzes,<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n stärksten Abscheu gegen <strong>de</strong>n Krieg bekun<strong>de</strong>t, aufgefallen<br />

wäre. Nein, einen solchen Kretin kann es nicht gegeben haben, <strong>de</strong>nn selbst er<br />

hätte mich ja für einen Tollhäusler halten müssen, <strong>de</strong>r eine Absage an <strong>de</strong>n<br />

Krieg mit einem Hymnus auf das Kriegsmanifest einleitet — vorausgesetzt,<br />

daß er nicht auch enthüllen wollte, ich hätte darin jene Zeit die »große Zeit«<br />

genannt. Natürlich weiß auch <strong>de</strong>r Stefan, was da gesagt war und daß ich nur<br />

die Konsequenz <strong>de</strong>s tiefsten Kriegshasses, <strong>de</strong>ssen Ausdruck die Fackel von<br />

Kriegsbeginn war, einhalte, diese beispiellos ununterbrochene Reihe in<br />

Schrift und Re<strong>de</strong> begangener und wie durch ein Wun<strong>de</strong>r ermöglichter Delikte<br />

gegen Kriegsgewalt und Majestät fortsetze, wenn ich die Worte: »ich habe alles<br />

reiflich erwogen« noch heute und immer das einzige wahre Kriegsgedicht<br />

jener großen Zeit nenne, und daß diese Meinung in Marsferne von <strong>de</strong>r Propaganda<br />

<strong>de</strong>s Kriegsarchivs wirkt. Wenn er sich als Oberleutnant für dieses ge-<br />

61

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!