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<strong>de</strong>n ich doch so oft bei Vorträgen sah, eine Dame sei, ich erwi<strong>de</strong>rte<br />

daher, daß ich einen Karl Kraus nicht kenne. Erst im Laufe <strong>de</strong>s<br />

Gespräches entpuppte sich die Dame als <strong>de</strong>r Verlag <strong>de</strong>r Fackel, da<br />

mußte ich ihr natürlich sagen, daß ich momentan nicht in <strong>de</strong>r<br />

Lage sei, ihr die Adresse <strong>de</strong>r Serafine P. mitzuteilen, <strong>de</strong>nn erstens<br />

bin ich bei Verhandlungen, zweitens habe ich <strong>de</strong>n Akt nicht.<br />

Das ist gewiß eine recht launige Schil<strong>de</strong>rung, <strong>de</strong>ren Konklusion aber nicht<br />

ganz einleuchtet und die (selbst wenn ihr die Verlagsbeamtin zustimmte, die<br />

ihre Darstellung aufrecht hält) keineswegs bestreitet, daß Herr Dr. N. gesagt<br />

hat, er könne »nicht je<strong>de</strong>r Zeitung telephonisch Auskunft geben«. Aber die<br />

Verlagsbeamtin stellt auch <strong>de</strong>n Wunsch, <strong>de</strong>n Richter »dringend« zu sprechen,<br />

in Abre<strong>de</strong> und sagt, sie habe <strong>de</strong>m Kanzleibeamten, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Herrn Rat, »sofort«<br />

rufen wollte, ausdrücklich be<strong>de</strong>utet, man möge ihn nicht stören, nicht<br />

aus <strong>de</strong>r Verhandlung rufen, sie wer<strong>de</strong> später wie<strong>de</strong>r anfragen. Der außeror<strong>de</strong>ntlich<br />

höfliche Beamte bestand darauf: Dr. N. wer<strong>de</strong> »sofort« zum Telephon<br />

kommen. Nur jenem gegenüber habe sie <strong>de</strong>n Namen, zur Ver<strong>de</strong>utlichung <strong>de</strong>s<br />

wie<strong>de</strong>rholt genannten »Verlags <strong>de</strong>r Fackel«, ausgesprochen, <strong>de</strong>m Richter —<br />

das wisse sie ganz bestimmt — sich nur als Verlag vorgestellt; <strong>de</strong>r Eindruck<br />

<strong>de</strong>s »Hier K. K.« gehe offenbar auf die Mitteilung <strong>de</strong>s Beamten zurück. (Es<br />

wäre durch Nervosität ja gewiß ermöglicht.) Des weiteren stellt Herr Dr. N.<br />

<strong>de</strong>n Vorgang bei <strong>de</strong>r Aktenbehandlung dar.<br />

Dieser Vorgang dauert längere Zeit, <strong>de</strong>nn bei <strong>de</strong>r Überbürdung<br />

<strong>de</strong>r Gerichte, habe ich doch 120 — 150 Verhandlungen in einer<br />

Woche, ist es nicht an<strong>de</strong>rs möglich. Abgesehen davon hatte ich ja<br />

damals keine Ahnung davon, daß die Zeitungsnotiz über <strong>de</strong>n Fall<br />

P. einen <strong>de</strong>rartigen Erfolg haben wird, <strong>de</strong>nn ich bekam aus<br />

Schwe<strong>de</strong>n und sogar aus Amerika Spen<strong>de</strong>n für Frau P.<br />

Diese Mitteilung ist überaus dankenswert, wenngleich die Ahnungslosigkeit<br />

über die Wirkung einer Aktion, die doch erst durch Erkundung <strong>de</strong>r Adresse<br />

wirksam wur<strong>de</strong>, eigentlich als Grund für die Verzögerung <strong>de</strong>r Auskunft nicht<br />

ganz plausibel ist. Aber Herr Dr. N. meint:<br />

Wenn Frau P. bis zum Zeitpunkte <strong>de</strong>s Erscheinens <strong>de</strong>r Gerichtssaalnotiz<br />

nicht verhungert ist, so konnte sie auf die Unterstützung<br />

noch ein, zwei Tage warten.<br />

Das mag sein, ist aber nicht ganz sicher, und die schriftliche Antwort <strong>de</strong>r Gerichtskanzlei,<br />

<strong>de</strong>ren umständliches Verfahren ja <strong>de</strong>r Brief schil<strong>de</strong>rt, hätte<br />

wohl, wie <strong>de</strong>r Richter selbst sagt, »längere Zeit« gebraucht. Trotz<strong>de</strong>m ist,<br />

wenn sie nur auf an<strong>de</strong>re Art erfolgt wäre, die Verweigerung <strong>de</strong>r telephonischen<br />

Auskunft keineswegs unerklärlich und selbst die Art <strong>de</strong>r Antwort mit<br />

<strong>de</strong>r Nervosität eines überbür<strong>de</strong>ten Strafrichters durchaus zu entschuldigen.<br />

Es besteht nicht <strong>de</strong>r geringste Grund zu einer an<strong>de</strong>rn Auffassung, da zwar<br />

nicht aus <strong>de</strong>r sachlichen Darstellung <strong>de</strong>s Telephongesprächs, wohl aber aus<br />

<strong>de</strong>m Bemühen, <strong>de</strong>n Fall aufzuklären, die unta<strong>de</strong>lige Absicht <strong>de</strong>s Richters hervorgeht,<br />

<strong>de</strong>r seine Zuschrift mit <strong>de</strong>n Worten schließt:<br />

Ich bin stets bereit zu einer Wohltat meine Hand zu bieten und bedauere<br />

nur eines, daß ich lei<strong>de</strong>r selbst nicht in <strong>de</strong>r Lage bin, mich<br />

an <strong>de</strong>rartigen Aktionen materiell zu beteiligen. Ich bitte von diesem<br />

Schreiben nach Ihrem Gutdünken Gebrauch zu machen und<br />

zeichne mit vorzüglicher Hochachtung Ihr stets ergebener<br />

Dr. Nehoda.<br />

Diese Erklärung berichtigt <strong>de</strong>n Eindruck <strong>de</strong>s telephonischen Gesprächs gewiß<br />

noch besser als die tatsächliche Entgegnung und hebt das Urteil, das in <strong>de</strong>r<br />

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