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scher und serbischer Dichtung für Deutschland bemüht«, er »notiert« es und<br />

sofort ge<strong>de</strong>nken nicht nur wir, son<strong>de</strong>rn auch er selbst <strong>de</strong>s Analogons:<br />

Erinnern wir uns, daß auch Goethe durch eine Dame, das Fräulein<br />

von Jakob, erst Kenntnis von <strong>de</strong>n »merkwürdigen, für uns auch<br />

nach und nach grünen<strong>de</strong>n, blühen<strong>de</strong>n, fruchten<strong>de</strong>n Produktionen<br />

unserer südöstlichen Nachbarn« erhielt ...<br />

Die Ähnlichkeit wird aber mit je<strong>de</strong>m Tag frappanter. Goethe konnte bekanntlich<br />

<strong>de</strong>n Jean Paul nicht schmecken. Es wür<strong>de</strong> nun zur Analogie vollauf genügen,<br />

daß Bahr mich nicht schmecken kann, aber die Ehre eines solchen Vergleichs<br />

erweist er mir nicht; ich gehöre in eine ganz an<strong>de</strong>re Kategorie, wie<br />

sich gleich zeigen wird. Nein, er ist zwar nicht vom Fräulein von Jakob, son<strong>de</strong>rn<br />

vom Fräulein Lucerna in die morlackische Richtung und in die Gegend<br />

von <strong>de</strong>r e<strong>de</strong>ln Frauen <strong>de</strong>s Asan Aga orientiert, jedoch er kann auch <strong>de</strong>n Jean<br />

Paul nicht schmecken; und er »notiert«, daß<br />

sich doch im Grun<strong>de</strong> sein ganzes Leben immer nur auf Papier abgespielt<br />

hat: mit ihm recht eigentlich beginnt die <strong>de</strong>utsche Dichtung<br />

auf Papier, von Papier und für Papier zu leben.<br />

Er habe immer wie<strong>de</strong>r einen Versuch gemacht, irgend etwas von Jean Paul<br />

auszulesen. »Es gelang mir noch niemals«. Selbst in Bayreuth, wo ihm »beim<br />

Rollwenzel—Haus sein Gewissen schlug«, mißlang es ihm immer wie<strong>de</strong>r.<br />

Und ich gab es auf, so beschämend es für mich ist, einzugestehen,<br />

daß es einen Dichter gibt, gegen <strong>de</strong>n ich blind und taub bin.<br />

Ganz im Gegensatz etwa zu <strong>de</strong>m Dichter Alexan<strong>de</strong>r Lernet—Holenias, seiner<br />

»letzten großen Hoffnung«, und zu <strong>de</strong>m Theater— und Gerichtssaalberichterstatter<br />

Kläger, <strong>de</strong>r ihn auch nicht enttäuscht hat. Es muß aber entschie<strong>de</strong>n etwas<br />

zu be<strong>de</strong>uten haben, daß sowohl Goethe als Bahr diese Antipathie gegen<br />

Jean Paul hatten. Wie steht es nun mit <strong>de</strong>m Fall Kotzebue? Sehr interessant,<br />

hier fin<strong>de</strong>t die Abneigung wie<strong>de</strong>r ihr Pendant. Bahr notiert:<br />

Goethe hat die ganze Stammesart <strong>de</strong>r Kotzebues auf die knappe<br />

Formel gebracht: »Kotzebue hatte bei seinem ausgezeichneten Talent<br />

in seinem Wesen eine gewisse Nullität, die niemand überwin<strong>de</strong>t.«<br />

Also das hat eigentlich schon Goethe notiert, aber Bahr ergänzt es noch vielfach.<br />

Kotzebue versprach sich nämlich einen Posten durch Goethes Verwendung<br />

und Goethe schlug ihm diese ab. Kotzebue aber re<strong>de</strong>t sich nun ein, ihm<br />

dies keineswegs zu ver<strong>de</strong>nken, »sich seinen erbittert enttäuschten Eigennutz<br />

nicht eingestehend«. Hier merkt man schon die Ähnlichkeit <strong>de</strong>r Fälle. Aber<br />

wenn es vielleicht auch nicht ganz zutreffen mag, daß ich <strong>de</strong>n Mangel an För<strong>de</strong>rung<br />

durch Herrn Bahr nicht verwin<strong>de</strong>n kann, so springt doch gewiß die<br />

Analogie in die Augen, wenn Bahr <strong>de</strong>n Satz notiert:<br />

Kotzebue hatte doch zu seinem Goethehaß wahrhaftig Grund genug<br />

an <strong>de</strong>m Unterschied ihrer bei<strong>de</strong>n Naturen.<br />

Ganz richtig, also braucht man wirklich nicht nach persönlichen Motiven zu<br />

suchen. Der Unterschied <strong>de</strong>r Naturen liegt auf <strong>de</strong>r Hand, <strong>de</strong>r Unterschied <strong>de</strong>r<br />

Fälle Goethe und Bahr ist aber wie<strong>de</strong>r darin gegeben, daß Goethe seinen<br />

Feind wenigstens beim Namen nennt, Bahr jedoch hinter Goethes Schild seine<br />

eigene polemische Notdurft verrichtet. Und ferner noch die eines an<strong>de</strong>rn<br />

Herrn, <strong>de</strong>r ja gleichfalls seine Goethe—Lei<strong>de</strong>n mit mir erlebt—<br />

Hofmannsthal<br />

(damit die Familie beisammen ist)<br />

hat im letzten Heft seiner 'Neuen <strong>de</strong>utschen Beiträge' (Verlag <strong>de</strong>r<br />

»Bremer Presse«, München) Goethes Urteil über Kotzebue wie<strong>de</strong>r<br />

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