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Ghetto Wilna - Arbeit und Leben (DGB/VHS) Hochtaunus

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echten Straßenseite gehen, <strong>und</strong> auch das 'dürfen' sie nur in bestimmten Straßen. ... Jeder Tag<br />

brachte neue Sorgen. Zuerst die Massenfestnahme der Männer. Tag <strong>und</strong> Nacht wurden jüdische<br />

Männer ‚zur <strong>Arbeit</strong>‘ weggeführt <strong>und</strong> kamen nie wieder. Ein paar Juden arbeiteten in den<br />

Heeresbasen r<strong>und</strong> um die Stadt. Sie hatten Papiere, in denen die Behörden darum ersucht<br />

wurden, den jüdischen Inhaber des Dokuments zu keiner anderen <strong>Arbeit</strong> abzuziehen. In weniger<br />

als einer Woche hatten wir aufgehört, Menschen zu sein, <strong>und</strong> waren zu Waren geworden,<br />

jedem Deutschen verfügbar.“ (Grossman, S. 33)<br />

Menschenjagden <strong>und</strong> Verschleppungen<br />

Die Monate Juli, August <strong>und</strong> Anfang September 1941 waren geprägt von willkürlichen Jagden<br />

auf die jüdische Bevölkerung, von Überfällen auf Wohnungen <strong>und</strong> Razzien ganzer Straßenzüge,<br />

durchgeführt mit Unterstützung litauischer Kollaborateure. Männer wurden von der<br />

Straße weg <strong>und</strong> aus ihren Häusern verhaftet, oft mit der Aufforderung, sich für einen <strong>Arbeit</strong>seinsatz<br />

fertig zu machen. Gruppen von Litauern – Chapones (Jiddisch: Häscher) genannt –<br />

schleppten sie fort.<br />

„Maline“ (Versteck), ein Begriff aus der Gangstersprache, ging in den Alltagssprachgebrauch<br />

der jüdischen Bevölkerung ein. Während sich die Männer in Kammern <strong>und</strong> auf Dachböden<br />

versteckten, übernahmen die Frauen die Rolle der Wächterinnen vor den Überfällen durch<br />

Deutsche <strong>und</strong> litauische Gruppen. Frauen konnten sich zu dieser Zeit noch relativ unbeschadet<br />

auf den Straßen bewegen. Sie standen an in den langen Schlangen bei der Ausgabe der<br />

den Juden zugeteilten Brotrationen <strong>und</strong> tauschten die Nachrichten aus.<br />

Am 30. August 1941 schrieb Avrom Sutzkewer das Gedicht „Ich lieg in einem Sarg“. Er hatte<br />

Wochen in verschiedenen Verstecken verbracht <strong>und</strong> an diesem Tag erfahren, dass viele seiner<br />

Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>innen aus Künstlerkreisen <strong>und</strong> Literatenzirkeln umgebracht worden waren.<br />

Kennzeichnung: Armbinde mit Stern, Quelle: Rolnikaite (1968), S. 112<br />

„Was sollen wir tun? ... Es wurde dunkel. Ich habe angefangen nach einem Versteck zu suchen.<br />

Auf einem Hof in der Nähe befand sich die Chewra Kaddisha. In einem Winkel standen<br />

an der Wand die Särge für die Leichen. Ich bin hereingeklettert in einen Sarg, den Deckel geschlossen<br />

über meinem Kopf <strong>und</strong> lag in der stickigen Luft. Und in diesem Sarg liegend, habe<br />

ich in dieser Nacht mein Gedicht geschrieben.“ (Sutzkewer, S. 22)<br />

Auch in vielen anderen <strong>Ghetto</strong>s kam es zu Menschenjagden, Pogromen <strong>und</strong> Morden: In Brest-<br />

Litowsk, südlich von <strong>Wilna</strong> gelegen, wurde in den ersten Tagen der deutschen Besatzung fast<br />

die gesamte männliche Bevölkerung ermordet. Männer stellten in den Augen der deutschen<br />

Machthaber ein Widerstandspotential dar, dessen man umgehend Herr werden wollte. Außerdem<br />

ließ sich mit der Verhaftung der Männer die Täuschung aufrechterhalten, es würden starke<br />

arbeitsfähige Personen benötigt. Und diese Täuschung führte auch zu der Einschätzung der<br />

Juden, dass die Männer zu <strong>Arbeit</strong>seinsätzen außerhalb der Stadt gebracht worden seien. Kein<br />

Mensch konnte sich vorstellen, dass sie einfach umgebracht wurden.<br />

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