Ghetto Wilna - Arbeit und Leben (DGB/VHS) Hochtaunus
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<strong>Ghetto</strong>theater<br />
Im <strong>Ghetto</strong>theater wurden Stücke aus der jüdischen Literatur gegeben <strong>und</strong> Konzerte, in denen<br />
die Menschen für kurze Zeit dem grausamen Alltag entfliehen konnten. Die Ankündigung des<br />
ersten Konzertes im <strong>Ghetto</strong> löste heftige Kontroversen aus. Flugblätter wurden an die Wände<br />
der Häuser geklebt: „Auf dem Friedhof spielt man kein Theater“. Doch schon am Tag nach<br />
der Veranstaltung verstummte die öffentliche Kritik: In den Tagebüchern <strong>und</strong> Memoiren können<br />
wir nachlesen, wie tief das Erlebnis des Konzerts gewesen sein muss. Das gemeinsame<br />
Besinnen, das Gedenken an die Toten hatte einen großen Eindruck hinterlassen <strong>und</strong> es hatte<br />
sich gezeigt, dass die Kultur der Situation gerecht werden konnte. In der ersten Zeit des Theaters<br />
wurden Stücke der jiddischen Literatur gespielt, später kamen eigene <strong>Ghetto</strong>produktionen<br />
hinzu.<br />
6. Bewaffneter Widerstand<br />
Es waren vor allem die Jugendlichen, größtenteils Mitglieder der Jugendbewegungen, die sich<br />
entschlossen, den Deutschen auch physischen <strong>und</strong> bewaffneten Widerstand entgegen zu setzen.<br />
In vielen Fällen waren die AktivistInnen auch in den kulturellen Initiativen des <strong>Ghetto</strong>s<br />
tätig – ein Zeichen, wie wenig sich die verschiedenen Formen des Widerstands trennen lassen.<br />
Schon Ende Dezember 1941 wurde die Gründung der F.P.O., der Vereinigten Partisanenorganisation,<br />
beschlossen. Bei einem Treffen von etwa 150 Jugendlichen wurde der erste Aufruf<br />
zum Widerstand verlesen:<br />
Aufruf F.P.O.<br />
Der erste Aufruf:<br />
Die Vereinigte Partisanenorganisation des <strong>Wilna</strong>er <strong>Ghetto</strong>s (F.P.O.)<br />
„Lassen wir uns nicht wie die Schafe zur Schlachtbank führen!<br />
Jüdische Jugend! Glaubt nicht den Verführern. Von den 80.000 Juden im ‚Jerusalem von Litauen‘<br />
blieben nur 20.000.<br />
Vor unseren Augen haben sie unsere Eltern, Brüder <strong>und</strong> Schwestern entrissen. Wo sind die<br />
H<strong>und</strong>erte von Menschen, die von den litauischen Häschern zur <strong>Arbeit</strong> entführt wurden?<br />
Wo sind die nackten Frauen <strong>und</strong> Kinder, die in der schrecklichen Nacht entführt wurden? Wo<br />
sind die Juden vom Jom-Kippur-Tag? Und wo sind unsere Brüder aus dem zweiten <strong>Ghetto</strong>?<br />
Von denen, die vor das <strong>Ghetto</strong>tor geführt wurden, kehrte kein einziger zurück. Alle Wege der<br />
Gestapo führen nach Ponar. Und Ponar ist der Tod! Ihr Zweifler, lasst alle Illusionen fallen!<br />
Eure Kinder, Männer <strong>und</strong> Frauen sind nicht mehr am <strong>Leben</strong>. Ponar ist kein Lager. 15.000<br />
wurden dort durch Erschiessen getötet. Hitler beabsichtigt, alle Juden Europas zu vernichten.<br />
Es ist das Schicksal der Juden Litauens, als erste an der Reihe zu sein.<br />
Lassen wir uns nicht wie die Schafe zur Schlachtbank führen! Es ist wahr, wir sind schwach<br />
<strong>und</strong> hilflos, aber die einzige Antwort an den Feind lautet:<br />
Widerstand!<br />
Brüder! Lieber als freie Kämpfer fallen, als von der Gnade der Mörder leben. Widerstand leisten!<br />
Widerstand bis zum letzten Atemzug!<br />
1. Januar 1942. <strong>Wilna</strong>, im <strong>Ghetto</strong>.<br />
Der Aufruf wurde von Abba Kovner (1918-1987) verfasst, einer der Gründer der F.P.O.<br />
(Der hier veröffentlichte Text beruht auf einer Übersetzung aus dem Jiddischen, die Arno Lustiger besorgte,<br />
Herausgeber des Schwarzbuchs. Der Mord an den europäischen Juden von Grossmann/Ehrenburg)<br />
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