Ghetto Wilna - Arbeit und Leben (DGB/VHS) Hochtaunus
Ghetto Wilna - Arbeit und Leben (DGB/VHS) Hochtaunus
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Der neue gelbe Schein wurde als Facharbeiter-Ausweis bezeichnet <strong>und</strong> dem <strong>Ghetto</strong>arbeitsamt<br />
wurden 3.000 Exemplare übergeben. Der Schein galt für den Inhaber <strong>und</strong> drei Familienmitglieder:<br />
3.000-mal vier, der Inhaber plus drei Familienmitglieder, das hieß: 12.000-mal „bescheinigtes“<br />
<strong>Leben</strong>. Im <strong>Ghetto</strong> hatten bis dahin etwa 20.000 Menschen „legal“, das heißt,<br />
ausgestattet mit den alten <strong>Arbeit</strong>sscheinen, gelebt <strong>und</strong> etwa 5.000 Menschen „illegal“ ohne<br />
Schein.<br />
Mascha Rolnikaite: „Spätabends erfahren wir, dass alle, die einen gelben Ausweis besitzen,<br />
sich im Judenrat registrieren lassen müssen, <strong>und</strong> zwar im Laufe der Nacht, bis morgens um<br />
vier. Man muss die Familienmitglieder mitbringen, den Mann oder die Frau <strong>und</strong> die Kinder<br />
bis zu 16 Jahren. Kinder über Sechzehn, Eltern <strong>und</strong> Geschwister werden nicht in den Ausweis<br />
eingetragen. ... Alle, die einen gelben Ausweis besitzen, müssen morgen früh mit den Familienangehörigen,<br />
die in diesen Ausweis eingetragen sind, an der <strong>Arbeit</strong>sstelle erscheinen. In<br />
das <strong>Ghetto</strong> dürfen sie erst am Abend des nächsten Tages zurückkehren. ... Es ist so schrecklich.<br />
Die Stimmung ist furchtbar. Die Leute sind gereizt <strong>und</strong> nervös. Alle lassen sich in fieberhafter<br />
Eile registrieren. Wer keinen Ausweis hat, sucht jemanden, der ihn mit in seinen<br />
Ausweis einträgt oder wenigstens die Kinder, um sie zu retten. Jene, die Ausweise besitzen,<br />
suchen sich neue ‚Angehörige‘, vor allem Kinder. Brüder werden ihre Schwestern als Ehefrauen<br />
eintragen lassen, den Töchtern lässt man die Väter als Männer in den Ausweis eintragen.“<br />
(Rolnikaite, S. 52)<br />
Während der Registrierung der arbeitsfähigen <strong>Ghetto</strong>bewohner drangen deutsche <strong>und</strong> litauische<br />
Truppen in das <strong>Ghetto</strong> ein <strong>und</strong> durchsuchten die Wohnungen. Es kam zu Menschenjagden<br />
in den Gassen <strong>und</strong> zu Verschleppungen.<br />
Das <strong>Arbeit</strong>sscheinsystem wurde ständig verändert, es folgten der blaue <strong>und</strong> der rosa Schein.<br />
Mit dem System der Scheine unterteilten die Deutschen das <strong>Ghetto</strong> in „produktive“ <strong>und</strong> „unproduktive“<br />
<strong>Ghetto</strong>bewohnerInnen. Nach dieser Trennung führten sie die „Aktionen“ genannten<br />
Selektionen für die Massenmorde durch. Diesen Aktionen fielen alle zum Opfer, die keinen<br />
Schein hatten. Alle wurden in Ponar umgebracht.<br />
Bis Ende Dezember des Jahres 1941 hatten Wehrmacht, SS <strong>und</strong> Einsatzgruppen unter Mitarbeit<br />
der litauischen Unterstützer <strong>und</strong> der deutschen Zivilbehörden drei Viertel der Juden <strong>und</strong><br />
Jüdinnen in <strong>Wilna</strong> ermordet.<br />
Die Zydogasse – Judengasse, führte im jüdischen Wilne zur großen Synagoge (Foto 2002)<br />
Selektionen <strong>und</strong> Liquidierung des kleinen <strong>Ghetto</strong>s<br />
Die willkürliche Verteilung der Menschen auf zwei <strong>Ghetto</strong>s war zeitlich begrenzt. Nach wenigen<br />
Tagen im <strong>Ghetto</strong> wurde deutlich, dass die Deutschen eine andere Aufteilung im Kopf<br />
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