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Ghetto Wilna - Arbeit und Leben (DGB/VHS) Hochtaunus

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„… Ich erinnere das erste Mal als wir einen Zug aufmischten. Ich ging mit einer kleinen<br />

Gruppe, Rachel Markewitch begleitete uns. Es war der Neujahrsabend: wir brachten den<br />

Deutschen ein festliches Geschenk. Der Zug erschien auf den Bahnschienen, eine Reihe<br />

großer, schwer beladener Waggons Richtung <strong>Wilna</strong>. Mein Herz stoppte plötzlich vor Freude<br />

<strong>und</strong> Angst. Ich zog den Zünder mit aller Kraft, <strong>und</strong> in dem Moment, bevor der Donner der<br />

Explosion in der Luft ein Echo gab <strong>und</strong> 21 Waggons voller Truppen in den Abgr<strong>und</strong> stürzten,<br />

hörte ich Rachel rufen: ‚Für Ponar!‘…“ (aus: „A first Attempt to Tell“ in: Yehuda Bauer<br />

(Hg.): „The Holocaust as Historical Experience: Essays and Discussion“, New York<br />

1981, S. 81/82).<br />

Abba Kovner überlebte den Krieg. Er lebte als Schriftsteller in Israel, er starb 1987.<br />

Shmerke Kaczerginski<br />

Shmerke Kaczerginski war Schriftsteller <strong>und</strong> Dichter <strong>und</strong> vor dem Einmarsch der Deutschen<br />

Mitglied einer Künstlergruppe.<br />

Auch im <strong>Ghetto</strong> schrieb er <strong>und</strong> viele seiner Lieder wurden im <strong>Ghetto</strong> populär (Ponarlied).<br />

Er war aktiv im Jugendclub <strong>und</strong> Mitglied der F.P.O. Kurz vor der Liquidierung verließ er<br />

mit einer Gruppe das <strong>Ghetto</strong> <strong>und</strong> gelangte zu den Partisanen im Wald. Als Mitglied einer<br />

jüdischen Partisaneneinheit (mit seinen Fre<strong>und</strong>en Abba Kovner, Avrom Sutzkever <strong>und</strong> anderen)<br />

war er bei der Befreiung der Stadt <strong>Wilna</strong> durch die Rote Armee beteiligt. Die jüdische<br />

Gruppe begann gleich damit, die versteckten Dokumente <strong>und</strong> Kulturgüter aus den<br />

Malinen des <strong>Ghetto</strong>s zu holen <strong>und</strong> ein jüdisches Museum aufzubauen. Auf Befehl Stalins<br />

wurde dieses Museum 1949 im Rahmen seiner Kampagne gegen Zionismus <strong>und</strong> Kosmopolitismus<br />

geschlossen. Shmerke wanderte nach Argentinien aus. Aus seiner Feder sind wichtige<br />

Dokumente <strong>und</strong> Erinnerungen zu dem <strong>Ghetto</strong> in <strong>Wilna</strong> <strong>und</strong> den Kämpfen der Partisanen<br />

entstanden.<br />

Woher bekam die F.P.O. Waffen?<br />

Wirkliche Verbündete gab es vorerst keine. Die erste Granate soll über eine polnische Untergr<strong>und</strong>gruppe<br />

zur F.P.O. gelangt sein. Doch ansonsten waren die Waffenlager der Deutschen<br />

das wichtigste Reservoir: Mitglieder der F.P.O. arbeiteten in den Munitionslagern <strong>und</strong> hier<br />

wurden verplombte Waggons <strong>und</strong> Kisten geöffnet <strong>und</strong> die Waffen in Einzelteilen in das <strong>Ghetto</strong><br />

geschmuggelt (nach Zeugnis Nisan Reskin, YIVO RG 223-649; vgl. Sutzkewer,<br />

Kaczerginski). Die Waffen gingen die gleichen Wege wie die in das <strong>Ghetto</strong> geschmuggelte<br />

Nahrung. Der Transport durch die Stadt <strong>und</strong> vor allem durch das <strong>Ghetto</strong>tor war gefährlich. Es<br />

wurde ein Warnsystem errichtet, das die Schmuggelnden informierte, ob vertrauenswürdige<br />

<strong>Ghetto</strong>polizisten am Tor die Kontrolle durchführten. Wenn nicht, oder gar, wenn Murer sich<br />

am Tor aufhielt, mussten die Waffen irgendwo gebunkert werden, um einen günstigen Moment<br />

abzuwarten, sie ins <strong>Ghetto</strong> zu schaffen. Die Waffen wurden in Malinen gebracht.<br />

Es gab sehr wenig bis keine Erfahrung im Umgang mit den Waffen. Ausbildungsgruppen<br />

wurden gebildet <strong>und</strong> in besonders tiefen Malinen Schießübungen abgehalten. Hier wurde auch<br />

Sprengstoff gemischt <strong>und</strong> die Pläne für die Sabotageaktionen ausgearbeitet.<br />

Wie wurde die Information aufrechterhalten?<br />

Eine erste wichtige Anschaffung für die F.P.O war die eines Radios. Die Deutschen hatten<br />

gleich nach dem Einmarsch alle Radiogeräte von Juden konfisziert. Mit dem illegalen Radio<br />

wurden die Kriegsgeschehnisse abgehört. In den Aufzeichnungen über das <strong>Ghetto</strong> sind immer<br />

wieder zwei Ereignisse, die auch über das Radio in das <strong>Ghetto</strong> gelangten, erwähnt, die die<br />

Stimmung stark beeinflussten: Einmal waren das die Meldungen, die darüber informierten,<br />

dass der geplante „Blitzkrieg“ der Deutschen nicht gelang. Die Rückschläge, die die deutsche<br />

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