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38 Juan Diez Medrano<br />

(EFTA) bald schon aus dem Rennen und zwang<br />

damit das konservative Kabinett von MacMillan,<br />

die Mitgliedschaft in den Europäischen<br />

Gemeinschaften zu beantragen. Erst nach dem<br />

zweiten Veto De Gaulles änderte jedoch der<br />

TNS allmählich seine Haltung gegenüber den<br />

Europäischen Gemeinschaften. Zwar wurde<br />

nach wie vor behauptet, dass die Mitgliedschaft<br />

in den Europäischen Gemeinschaften wachsende<br />

soziale Ungleichheiten und einen Verlust<br />

von Souveränität nach sich ziehen würde;<br />

zugleich wurde den Europäischen Gemeinschaften<br />

aber auch zugestanden, dass sie über<br />

die Jahre intergouvernementaler geworden seien<br />

und dass letztendlich auch die Möglichkeiten<br />

der Einflussnahme der Labour Party nur<br />

durch Mitgliedschaft in der Gemeinschaft und<br />

durch das Schmieden von Allianzen mit den<br />

Arbeiterparteien anderer Länder gestärkt werden<br />

könnten.<br />

Unglücklicherweise fiel der Beitritt Großbritanniens<br />

ausgerechnet mit der Ölkrise und dem<br />

Zusammenbruch des Breton-Woods-Währungssystems<br />

zusammen, womit die europäischen<br />

Volkswirtschaften unter erheblichen<br />

Druck gesetzt waren. In den Jahren zwischen<br />

1973 und 1985 und v.a. nach dem Referendum<br />

im Jahre 1975 ließen TE und TNS in ihren<br />

Meinungsseiten keine Gelegenheit aus, um<br />

nicht laut über die GAP und die britischen<br />

Beitragszahlungen an die EU zu klagen und<br />

entsprechende Reformen einzufordern. Der<br />

Wahlsieg der Conservative Party im Jahre 1979<br />

und Margaret Thatchers daraufhin vorangetriebene<br />

Demontage des britischen Wohlfahrtsstaates,<br />

die Privatisierungsmaßnahmen und die Beschneidung<br />

der Arbeiterrechte haben dann dem<br />

von der Labour Party und dem TNS lange gehegten<br />

Traum eines sozialistischen Großbritanniens<br />

ein jähes Ende bereitet und dazu Anlass<br />

gegeben, das Image der Europäischen Gemeinschaften<br />

abermals aufzuwerten. Leitartikel<br />

und Kommentare im TNS äußerten sich<br />

von nun an grundsätzlich positiver und konstruktiver<br />

gegenüber den Europäischen Gemeinschaften.<br />

In der Umbauphase von 1985 bis 1997 war<br />

das Thema der nun endlich eingeleiteten institutionellen<br />

Reform der Gemeinschaft wichtiger<br />

als die Diskussion einzelner Politikbereiche.<br />

Die zuvor herausgestellten Gegensätze<br />

zwischen dem TE und dem TNS lassen sich<br />

noch bis etwa Mitte der 90er Jahre verfolgen,<br />

konvergierten dann aber im Zuge der von Blair<br />

eingeleiteten revolutionären Umgestaltung der<br />

Labour Party in Richtung auf ein dezentralisiertes<br />

Kooperationsmodell europäischer Einigung.<br />

2.3 Spanien: Der Kampf um<br />

weltpolitische Anerkennung<br />

Die untersuchten Leitartikel und Kommentare<br />

des ABC (1946-1997), von Cambio 16 (1971-<br />

1975) und von El Pais (1976-1997) zeigen,<br />

dass die spanische Öffentlichkeit das Thema<br />

der Europäischen Einigung v.a. als Auseinandersetzung<br />

um den Beitritt des Landes bzw. in<br />

den folgenden Jahren als Auseinandersetzung<br />

um eine gleichberechtigte Position Spaniens<br />

unter den Führungsmächten der Gemeinschaft<br />

reflektiert hatte. Diesem Verständnis lag der<br />

Wunsch nach einer Uberwindung der Isolation<br />

und Bedeutungslosigkeit Spaniens in der internationalen<br />

Politik zugrunde. In der außenpolitischen<br />

Debatte wurde v.a. die Wichtigkeit,<br />

in Europa ,dabei zu sein', herausgestrichen,<br />

statt systematisch die Pros und Contras<br />

der einzelnen Integrationsprojekte abzuhandeln.<br />

Trotz dieser definitorischen Unscharfe gelingt<br />

es, in den Beiträgen der spanischen Presse bis<br />

1997 zwei unterschiedliche Projekte zur europäischen<br />

Integration herauszufiltem, in denen<br />

die Widersprüche, akzentuierter hervortraten:<br />

das von ABC propagierte Projekt einer dezentralisierten<br />

Kooperation und das von El Pais<br />

Die Qualitätspresse und Europäische Integration 39<br />

propagierte Projekt einer dezentralisierten Integration.<br />

War die Grundhaltung der britischen und deutschen<br />

Presse gegenüber dem Integrationsprozess<br />

eher von praktischen Themen bestimmt,<br />

so diskutierten die Leitartikel und Kommentare<br />

der Zeitung ABC unmittelbar nach dem<br />

Krieg v.a. allgemeine ideologische und philosophische<br />

Fragestellungen. 9<br />

In Ubereinstimmung<br />

mit einem der zentralen Glaubenssätze<br />

der Ideologie Francos rechtfertigte der ABC<br />

den europäischen Einigungsprozess v.a. als<br />

Bollwerk im Kampfe gegen den Kommunismus.<br />

10<br />

Allerdings fehlte es Spanien an den notwendigen<br />

demokratischen Voraussetzungen für einen<br />

Beitritt in die EWG, was unausweichlich<br />

eine vorsichtige, aber dennoch offen geführte<br />

Debatte über die Kosten des autoritären Regimes<br />

nach sich zog. Die europapolitischen<br />

Beiträge im ABC in den Jahren zwischen 1967<br />

und 1975, dem Todesjahr Francos, waren von<br />

der Notwendigkeit einer Neugestaltung der<br />

Beziehungen Spaniens mit den Europäischen<br />

Gemeinschaften bestimmt. Die Leitartikel und<br />

Kommentare in den konservativen Blättern betonten,<br />

dass wenigstens eine Handelsassoziation<br />

mit den Europäischen Gemeinschaften abgeschlossen<br />

werden müsse, um die wirtschaftliche<br />

Überlebensfähigkeit Spaniens sichern zu<br />

können. In anderen Stellungnahmen der Zeitung<br />

wurden zögerlich politische Reformen eingefordert,<br />

in der Erwartung, damit den Anforderungen<br />

an eine Mitgliedschaft genügen zu<br />

können. Schließlich fanden sich auch Beiträge,<br />

die bereits nach einer durchgreifenden Reform<br />

der politischen Institutionen riefen, um<br />

Spanien in eine Demokratie umzuwandeln.<br />

Die hier geführten Auseinandersetzungen bestimmten<br />

auch die europapolitischen Beiträge<br />

in Cambio 16, eine der linken Mitte zuzurech­<br />

nenden Wochenzeitschrift, in der Phase von<br />

1972-1975. Die Kommentare dieses Blattes reflektieren<br />

bereits das Aufbegehren spanischer<br />

Oppositioneller gegen die politische Rechte,<br />

die als Vertreter eines Isolationismus gebrandmarkt<br />

wurden, zugunsten der Sympathie mit<br />

der politischen Linken als Vertreter der Öffnung<br />

und der Modernisierung des Landes.<br />

Nach dem Tode Francos im Jahre 1975 und<br />

der Wende zur Demokratie wurde allerseits<br />

erwartet, dass der Beitritt zu den Europäischen<br />

Gemeinschaften nun unmittelbar bevorstehe.<br />

Dieser Zuversicht folgte jedoch bald schon Ernüchterung,<br />

nachdem deutlich wurde, dass die<br />

politischen Hindernisse für einen Beitritt Spaniens<br />

nur die Spitze des Eisbergs dargestellt<br />

hatten, und wirtschaftliche Faktoren die Beitrittsverhandlungen<br />

aller Wahrscheinlichkeit<br />

nach noch lange hinauszögern würden. Die<br />

Lösung dieser Probleme sollte weitere zehn<br />

Jahre auf sich warten lassen und bestimmte in<br />

dieser Zeit die europapolitischen Auseinandersetzungen<br />

in der spanischen Presse. In diesen<br />

Jahren wurde die Mitgliedschaft in den Europäischen<br />

Gemeinschaften auch symbolisch<br />

umgedeutet und stand nun für die Anerkennung<br />

der neuen demokratischen Qualität des<br />

Landes und den Status einer modernen, wirtschaftlich<br />

leistungsfähigen Gesellschaft. Wie<br />

der ABC, so mokierte auch El Pais in seinen<br />

europapolitischen Beiträgen die lange Verhandlungsdauer<br />

und die Verzögerungstaktik Frankreichs,<br />

betonte aber auch die Wichtigkeit eines<br />

Beitritts zu den Europäischen Gemeinschaften<br />

für die Modernisierung und demokratische Stabilität<br />

des Landes.<br />

Erst nach dem Beitritt Spaniens und Portugals<br />

im Jahre 1986 und der Einleitung eines institutionellen<br />

Reformprozesses in den darauffolgenden<br />

Jahren begannen sich die europapolitischen<br />

Auseinandersetzungen im ABC und in<br />

El Pais wieder auseinander zu dividieren und

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