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Vollversion (7.43 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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4<br />

Editorial<br />

Anmerkungen<br />

' Eine weitere, für künftige Forschungen bedeutende<br />

Fragestellung gilt der Europäisierung<br />

nationaler Gesellschaften (Brusis 2001)<br />

2<br />

Das Europa der Bürgerinnen und Bürger dürfte<br />

in der Tat andere Konturen haben, als wir sie<br />

von nationalen Zivilgesellschaften her kennen.<br />

Akteure nationaler Zivilgesellschaften wie<br />

Parteien, Verbände, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen<br />

(NGOs), Bürgerinitiativen<br />

oder soziale <strong>Bewegungen</strong> sind in Europa<br />

in sehr unterschiedlichem Maße präsent.<br />

Sie haben bislang das Problem, vor der eigenen<br />

Mitgliedschaft ihre Aktivitäten im fernen Europa<br />

zu rechtfertigen, zumal eine europäische<br />

Öffentlichkeit kaum existiert, die ihnen diese<br />

Arbeit erleichtert (siehe Roose in diesem Heft).<br />

Nicht minder fern erscheinen die Formen politischer<br />

Repräsentation in Europa.<br />

3<br />

Der Beitrag von Meyer macht deutlich, wie<br />

folgenreich schon geringfügige Modifikationen<br />

in der Art und Weise medialer Berichterstattung<br />

in Europa sein können. Die gezielte<br />

Förderung des Spracherwerbs und der europäischen<br />

Auslandsaufenthalte sowie die Aufnahme<br />

europäischer Themen in der Journalistenausbildung<br />

scheinen gar nicht zu unterschätzende<br />

Beiträge für die künftige Stärkung<br />

europäischer Öffentlichkeit zu sein.<br />

4<br />

Die Demokratisierung der EU hat absehbar<br />

auch Auswirkungen auf die Chancenstrukturen<br />

für Bürgerengagement und Protestmobilisierung.<br />

Auch Formen der Protestpolitik lassen<br />

sich immer weniger im Rückgriff auf nationale<br />

Vorbilder beschreiben. Wir müssen künftig<br />

wohl auch mit einer Mehrebenenpolitik des<br />

Protestes und damit rechnen, dass wir neben<br />

verstärktem Rückgriff auch von Bewegungsorganisationen<br />

auf Formen des Lobbyings und<br />

der Einflussnahme durch Beratung zunehmend<br />

auch mit einer Instrumentalisierungen des Protestes<br />

durch nationale und supranationale Institutionen<br />

konfrontiert werden. Jedenfalls<br />

Forschunpsiournal NSB, Jg. 14, Heft 4, 2001<br />

scheinen insgesamt die Chancen für die Thematisierung<br />

von Kollektivgutfragen auf der<br />

europäischen Bühne keineswegs so schlecht<br />

zu stehen, wie viele meinen; dazu siehe Eder<br />

2001.<br />

Literatur<br />

Brusis, Maurizio 2001: Die Europäisierung<br />

nationaler Gesellschaften, Opladen<br />

Eder, Klaus 2001: Chancenstrukturen für Bürgerbeteiligung<br />

und Protestmobilisierung in der<br />

EU. Überlegungen zu einigen Besonderheiten<br />

transnationaler Streitpolitik. In: Ansgar Klein,<br />

AnsgarlKoopmans, RuudIGeiling, Heiko (Hg.)<br />

2001: Globalisierung, Partizipation, Protest,<br />

Opladen, 45-76.<br />

Habermas, Jürgen 2001a: Euroskepsis, Markteuropa<br />

oder Europa der (Welt-)Bürger. In:<br />

Ders.: Zeit der Übergänge, Frankfurt/M., 85-<br />

103.<br />

Habermas, Jürgen 2001b: Braucht Europa eine<br />

Verfassung? In: Ders. Zeit der Übergänge,<br />

Frankfurt/M., 104-132.<br />

Kaelble, Hartmut 2001: Wege zur Demokratie.<br />

Von der Französischen Revolution zur Europäischen<br />

Union. Stuttgart-München.<br />

Klein, Ansgar 2001: Der Diskurs der Zivilgesellschaft.<br />

Politische Kontexte und demokratietheoretische<br />

Bezüge der neueren Begriffsverwendung,<br />

Opladen.<br />

Klein, AnsgarlKoopmans,Ruudu.a. (Hg.) 2002:<br />

Bürgerschaft, Öffentlichkeit und Demokratie<br />

in Europa, Opladen (in Vorbereitung).<br />

Offe, Claus 2001: Gibt es eine europäische<br />

Gesellschaft? Kann es sie geben?, in: Blätter<br />

für deutsche und internationale Politik, Jg. 46,<br />

Heft 4, 423-435.<br />

<strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 14, Heft 4, 2001 5<br />

Aktuelle Analyse<br />

Gunnar Folke Schuppert<br />

Europäische Zivilgesellschaft -<br />

Phantom oder Zukunftsprojekt?<br />

1 Europäische Zivilgesellschaft -<br />

ein Phantom?<br />

Wenn man über das Thema einer europäischen<br />

Zivilgesellschaft spricht oder schreibt, muss<br />

man mit dem Einwand rechnen, eine europäische<br />

Zivilgesellschaft gebe es nicht und könne<br />

es auch gar nicht geben, da es dafür an allen<br />

notwendigen Voraussetzungen fehle. Wie könnte<br />

es denn eine europäische Zivilgesellschaft<br />

geben, wenn es keine europäische Gesellschaft<br />

gibt (dazu Offe 2002); eine solche europäische<br />

Gesellschaft könne es nicht geben, da keine<br />

europäische Öffentlichkeit existiere (Grimm<br />

2001a); eine europäische Öffentlichkeit gebe<br />

es nicht, da es dafür einer gemeinsamen Sprache<br />

und europaweiter intermediärer Strukturen<br />

(Parteien, Verbände) bedürfe; auch sei eine<br />

europäische Identität nicht erkennbar (dazu<br />

Lepsius 1997).<br />

Wenn man so argumentiert, so findet man sich<br />

alsbald in den kategorialen Fragestellungen<br />

gefangen,<br />

• ob es eine europäische Gesellschaft gibt oder<br />

nicht,<br />

• ob es eine europäische Öffentlichkeit gibt<br />

oder nicht,<br />

• ob es eine europäische Identität gibt oder<br />

nicht.<br />

Allesamt Fragen also, die man nur mit ja oder<br />

nein beantworten kann und die deshalb taug­<br />

licher Gegenstand einer Prüfung nach dem<br />

Multiple-Choice-Verfahren sein könnten.<br />

Sich in solchen dichotomischen Gegenüberstellungen<br />

zu verheddern, sollte man vermeiden;<br />

dies lehrt das Beispiel des verlegenen Juristen,<br />

der nicht recht weiß, wie er denn das<br />

Gebilde der Europäischen Union begrifflich<br />

angemessen erfassen kann. Ihm stehen nur drei<br />

begriffliche Schubladen zur Verfügung: Einheitsstaat,<br />

Staatenbund, Bundesstaat und keine<br />

dieser Schubladen will passen: Europa ist mehr<br />

als ein Staatenbund, aber nach allgemeiner Auffassung<br />

auch noch kein Bundesstaat (Schuppert<br />

1994). Was also tun, um dieses monstro<br />

simile (Pufendorf) begrifflich zu bändigen?<br />

Wenn Juristen - was allerdings selten vorkommt<br />

- mit ihrem Klassifikationslatein am<br />

Ende sind, dann erklären sie den nicht in die<br />

überkommene Formtypik passenden Gegenstand<br />

entweder zum aliud oder zum Gebilde<br />

sui generis. Und in der Tat hat sich diese suigeneris-Methode<br />

inzwischen weitgehend<br />

durchgesetzt (Jachtenfuchs 1997), sogar bis in<br />

das Dienstvokabular von Außenminister Fischer<br />

(Bilanz der deutschen EU-Präsidentschaft<br />

vor dem Europaparlament am 21.07.1999, Bulletin<br />

der Bundesregierung, Nr. 45/1999, S. 481).<br />

Wenn wir nun am Beispiel des verlegenen Juristen<br />

lernen können, dass es wenig hilfreich<br />

ist, sich in der kategorialen Falle von ,entweder-oder',,Staat<br />

oder Nicht-Staat', ,gibt es oder<br />

gibt es nicht' zu verfangen, so scheint es uns<br />

an der Zeit, sich an die schon häufiger formu-

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