Vollversion (7.43 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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12<br />
Aktuelle Analyse<br />
Abgesehen davon, dass es sich hierbei um ein<br />
sehr schönes Beispiel für die Europäisierung<br />
der nationalen Rechtsordnung handelt, wird<br />
deutlich, wie durch Stärkung von Informationsrechten<br />
für jedermann zugleich die Zivilgesellschaft<br />
als Raum von Öffentlichkeit und<br />
öffentlichem Diskurs gefördert werden kann.<br />
(b) Ermöglichung und Förderung organisierter<br />
bürgerschaftlicher Sorge um das Gemeinwohl<br />
Sucht man dafür nach einem aktuellen Beispiel,<br />
so kann die in Gang gekommene Reform<br />
des Stiftungsrechts genannt werden, die<br />
den Stiftungen als Gemeinwohlakteuren nicht<br />
nur ein breiteres Betätigungsfeld einräumen -<br />
gesetzliche Anerkennung zusätzlicher Stiftungszwecke<br />
-, sondern auch ihre finanzielle<br />
Ausstattung verbessern will, indem die steuerliche<br />
Abzugsfähigkeit von Stiftungszuwendungen<br />
erleichtert wird. Dies alles wäre zu flankieren<br />
nicht nur durch eine erleichterte Gründung<br />
von Stiftungen - vom Konzessionssystem<br />
zum Normativsystem -, sondern auch<br />
durch eine funktionsfähige Stiftungsaufsicht,<br />
deren Strukturen und Maßstäbe überwiegend<br />
noch an den Vorstellungen des 19. Jahrhunderts<br />
orientiert sind.<br />
Ein weiteres, diesmal europäisches Beispiel<br />
wäre - ganz im Sinne der Bereitstellungsfunktion<br />
des Rechts - die überfällige Schaffung<br />
der Organisationsform eines Europäischen Vereins',<br />
um diese klassische Organisationsform<br />
bürgerlicher Gemeinwohlverantwortung auch<br />
für die europäische Ebene nutzbar zu machen.<br />
(c) Ermöglichung und Förderung gesellschaftlicher<br />
Selbstregulierung<br />
Muss es dem seine Zivilgesellschaft stärkenden<br />
Staat darum gehen, die Selbststeuerungspotentiale<br />
der Gesellschaft zu fördern, so ist<br />
Kennzeichen moderner Verwaltung die Abkehr<br />
Gunnar Folke Schuppert<br />
vom klassischen Gestaltungsmodus imperativer<br />
Zweckverwirklichung zugunsten einer arbeitsteiligen<br />
Gemeinwohlkonkretisierung durch<br />
Staat und Private und die Nutzbarmachung gesellschaftlicher<br />
Selbstregulierungskräfte. Denn<br />
wenn öffentliche Aufgaben nicht nur im öffentlichen<br />
Sektor erfüllt werden, sondern auch<br />
im dritten Sektor und in Zusammenarbeit mit<br />
dem privaten Sektor und die moderne Verwaltungswirklichkeit<br />
durch einen Prozess der zunehmenden<br />
Verschränkung und Verzahnung der<br />
Sektoren untereinander gekennzeichnet ist, so<br />
stellt sich alsbald als Regulierungsproblem die<br />
Frage, in welchem Sektor mit welchen Instrumenten<br />
reguliert werden soll.<br />
So gesehen ist die Regulierungsdebatte, in deren<br />
Mittelpunkt immer mehr die staatlich rahmenhaft<br />
kanalisierte gesellschaftliche Selbstregulierung<br />
als Steuerungskonzept des sog. Gewährleistungsstaates<br />
steht (Grimm 2001b),<br />
nichts anderes als die Kehrseite der zunehmenden<br />
Verschränkung von staatlichem und zivilgesellschaftlichem<br />
Sektor. Auf europäischer Ebene<br />
entspricht dem das Konzept der sog. Koregulierung<br />
(Weißbuch .Europäisches Regieren',<br />
2001), das demselben Grundgedanken verpflichtet<br />
ist, nämlich nicht-staatliche und vor allem<br />
auch zivilgesellschaftliche Akteure stärker in den<br />
Normsetzungsprozess einzubinden.<br />
Damit sind wir am Ende unseres Ausfluges in<br />
die europäische Zivilgesellschaft angelangt und<br />
kommen zu dem Schluss, dass es um sie nicht<br />
so schlecht bestellt zu sein scheint, wie manche<br />
Kritiker meinen. Gerade unsere Schlussüberlegungen<br />
zeigen, dass es noch mannigfache<br />
Möglichkeiten gibt, den Prozess ihrer Entstehung<br />
zu fördern und durch Setzung rechtlicher<br />
wie wirtschaftlicher Rahmenbedingungen<br />
zu unterstützen.<br />
Gunnar Folke Schuppert ist Professor an der<br />
Juristischen Fakultät der Humboldt-Universi-<br />
Europäische Zivilqesellschaft - Phantom oder Zukunftsprojekt? 13<br />
Aktuelle Analyse<br />
tät zu Berlin und lehrt am Max Weber-Kolleg<br />
Erfurt.<br />
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