Vollversion (7.42 MB) - Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen
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24 Peter H. Feindt<br />
logischen Modernisierung" (Jänicke 1984) formuliert<br />
wurde, das ab Ende der 1980er Jahre<br />
den umweltpolitischen Diskurs der SPD und<br />
später von Bündnis 90/Die Grünen mit prägte<br />
und zu einem Leitbegriff der Koalitionsvereinbarung<br />
von 1998 wurde (Jänicke 2000: 28 lf).<br />
Die Betrachtung des durch wirtschaftlichen<br />
Wettbewerb angetriebenen Innovationsprozesses<br />
nicht nur als Ursache, sondern auch als Lösung<br />
der Umweltprobleme integriert den Umweltdiskurs<br />
in den Modernisierungsdiskurs. Eine<br />
strategisch ansetzende Umweltpolitik soll den<br />
laufenden Prozess der „systematischen, wissensbasierten<br />
Verbesserung von Verfahren und Produkten"<br />
so beeinflussen, dass „ökologisch angepasste<br />
und in diesem Sinne zukunftsfähige<br />
Technologien" entwickelt und verbreitet werden<br />
(Jänicke 2000: 282). Im Mittelpunkt steht<br />
die Verbesserung der Effizienz der Ressourcennutzung<br />
und die Verminderung der Risikointensität<br />
der Produktion und damit ein vorsorgender<br />
Umweltschutz, der über Gefahrenabwehr und<br />
End-of-Pipe-Maßnahmen hinausgeht. Der gesellschaftliche<br />
Entwicklungsprozess erscheint<br />
hier im Wesentlichen steuerbar. Aufgabe einer<br />
innovationsfreundlichen Umweltpolitik ist es,<br />
in Pionierländern das auf hohem Wohlstand,<br />
technischen Qualifikationen und Forschungskapazitäten<br />
beruhende umwelttechnologische Innovationspotenzial<br />
zu aktivieren.<br />
Im ökologischen Modernisierungsdiskurs treffen<br />
sich „die Realos der Umweltbewegung und<br />
die ökologischen Ja-Sager der Industrie" (Huber<br />
2001: 292). Er ermöglicht die Thematisiemng<br />
von Umweltschutz als Teil einer marktwirtschaftlichen<br />
Reformstrategie, deren Ziele<br />
im Dialog zwischen den Beteiligten festgelegt<br />
werden, und wird vielfach durch Werbe- und<br />
Public-Relations-Strategien von Unternehmen<br />
verstärkt. Die manifesten Auswirkungen dieses<br />
Diskurses reichen vom 3-Liter-Auto bis<br />
zum phosphatfreien Waschmittel.<br />
6 Öko-Konsistenz und Ökologischer<br />
Strukturwandel<br />
Die Grenzen ökologischer Modernisierung als<br />
einer Effizienzstrategie sind jedoch evident<br />
(Jänicke 2000; Huber 2001): Bei akkumulativen<br />
Umweltbelastungen bzw. „persistenten<br />
Problemen" wie Flächenverbrauch, Artenschutz,<br />
Bodenschutz, toxischen Stoffen oder<br />
Klimaschutz wird durch Effizienzstrategien<br />
lediglich der Zeitraum bis zum Erreichen kritischer<br />
Belastungsgrenzen verlängert. Hinzu<br />
kommt, dass spezifische Effizienzgewinne<br />
häufig durch Wachstumseffekte überlagert (rebound-Effekt)<br />
oder dazu genutzt werden, aufwendigere<br />
Produktdesigns zu verwirklichen<br />
(wie beim Trend zu schwereren PKWs).<br />
Schließlich reagieren die Lieferanten von Ressourcen,<br />
die durch die Einspareffekte von Effizienzstrategien<br />
Märkte verlieren, mit der<br />
Suche nach neuen Abnehmern. So konnte die<br />
Stromindustrie, die zu den Verlierern der zunehmenden<br />
Verbreitung von Stromspartechnologie<br />
gehörte, durch zusätzliche standby-<br />
Verbräuche profitieren.<br />
Ab Mitte der 1990er Jahre erweitert sich der<br />
ökologische Modernisierungsdiskurs daher um<br />
Überlegungen zum ökologischen Strukturwandel<br />
(Binder/Jänicke/Petschow 2001). Hierzu<br />
gehört der Ubergang von inkrementalen Anpassungs-<br />
zu radikalen Basisinnovationen, sogenannten<br />
Backstop-Technologien wie regenerative<br />
Energieerzeugung oder pestizidfreie<br />
Landwirtschaft. Dazu gehört auch das Schließen<br />
von Stoffströmen und der Ersatz von Problemstoffen.<br />
Eine ökologische Strukturpolitik<br />
(Jänicke 2000) soll das Absterben alter, umweltbelastender<br />
Branchen durch Anpassungshilfen<br />
für die Modemisierungsverlierer akzeptabel<br />
machen. Auch eine Veränderung der<br />
ressourcenintensiven Konsum- und der flächenintensiven<br />
Siedlungsmuster gehört in diesen<br />
Bereich.