Vollversion (7.42 MB) - Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen
Vollversion (7.42 MB) - Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen
Vollversion (7.42 MB) - Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Gemeinsam gegen Niemanden 27<br />
fessionen sowie Umweltpolitiker aller Parteien<br />
positionieren können. Indem sie damit die<br />
verschiedenen Diskursstränge reproduzieren<br />
und weiter entwickeln, verfügt der Nachhaltigkeitsdiskurs<br />
über eine breite Trägerschaft.<br />
Während der frühe Umweltdiskurs noch weitgehend<br />
der Umweltbewegung „gehörte" und<br />
von ihren Protagonisten geprägt wurde, ist der<br />
Nachhaltigkeitsdiskurs im „Allgemeinbesitz",<br />
ohne dass derzeit einzelne Akteure eine prägende<br />
Deutungshoheit ausüben. In seiner Entwicklung<br />
zum Nachhaltigkeitsdiskurs ist der<br />
Umweltdiskurs sozusagen vom Clubgut zum<br />
öffentlichen Gut geworden - einschließlich der<br />
Gefahr einer Ubernutzung. Allein aufgrund der<br />
Verwendung der Redeweise von nachhaltiger<br />
Entwicklung kann kein Akteur positioniert werden.<br />
Dementsprechend gering ist die Bindungsund<br />
Mobilisierungskraft des Begriffs. Erst<br />
durch den Bezug auf den Sufftzienz-, Effizienz-<br />
oder Konsistenzdiskurs entstehen Positionen,<br />
an denen Akteure gemessen werden können.<br />
Wie die BSE-Krise zeigt, besteht die Kunst<br />
der ökologischen Reform in dieser Situation<br />
nicht zuletzt darin, „Fenster der Gelegenheit"<br />
zu nutzen, um Diskursdynamiken zu erzeugen<br />
und „Leitbildsteuerung" zu praktizieren, die<br />
die knappen institutionellen Ressourcen einer<br />
vorsorgenden Umweltpolitik schont.<br />
Dr. Peter H. Feindt ist Politik- und Wirtschaftswissenschaftler<br />
und arbeitet am Forschungsschwerpunkt<br />
Biotechnik, Gesellschaft und<br />
Umwelt der Universität Hamburg.<br />
Anmerkungen<br />
1<br />
Dieser auf Foucault zurückgehende „Formationsbegriff<br />
des Diskurses" unterscheidet sich von<br />
dem an den Arbeiten von Habermas orientierten<br />
„Reflexionsbegriff des Diskurses" (vgl. zu dieser<br />
Unterscheidung Kleining, zit. bei Huber 2001:<br />
272), der den mittlerweile recht verbreiteten Diskurs-<br />
und Mediationsverfahren zugrunde liegt (vgl.<br />
Feindt 2001).<br />
2<br />
Die Diskurse in den Organisationen der großen<br />
gesellschaftlichen Gruppen wie den Kirchen und<br />
den Gewerkschaften stehen dabei in der Mitte.<br />
Sie sind einerseits offener als die Professionsdiskurse,<br />
andererseits weniger offen als der allgemeine<br />
öffentliche Diskurs, an dem eine Vielzahl<br />
von Organisationen beteiligt sind.<br />
3<br />
Bereits seit Ende der 1940er Jahre hatten sich<br />
vor allem in den USA mit der Ökosystemforschung,<br />
der Kybernetik und der Zukunftsforschung<br />
wissenschaftliche Methoden zur Analyse globaler<br />
systemischer Dynamiken entwickelt. Auf dieser<br />
Basis entstand eine Kritik des Fortschrittsmodells,<br />
die nicht weltanschaulich oder ästhetisch ansetzt,<br />
sondern im Rahmen des rationalistisch-wissenschaftlichen<br />
Diskurses verbleibt: Prägende Beiträge<br />
waren Rachel Carsons Silent Spring (1962),<br />
Lewis Mumfords Mythos der Maschine (1964),<br />
K. William Kapps The Social Costs of Private<br />
Enterprise (1958), Barry Commoners Konzept des<br />
ökologischen Kreislaufdenkens (1975), Kenneth<br />
Bouldings Economic Imperialem (1972) oder Paul<br />
und Anne Ehrlichs Bevölkerungsprognosen (vgl.<br />
Huber 200l:262f).<br />
Literatur<br />
Beck, Ulrich 1986: Risikogesellschaft. Frankfurt<br />
a.M.: Suhrkamp.<br />
Binder, Manfred/Jänicke, MartiniPetschow, Ulrich<br />
(2001): Green Industrial Restmcturing. International<br />
Case Studies and Theoretical Implicadons.<br />
Berlin: Springer.<br />
BMU (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,<br />
und Reaktorsicherheit) 1992 (Hg.): Konferenz der<br />
Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung<br />
im Juni 1992 in Rio des Janeiro (Dokumente).<br />
Bonn: BMU.<br />
Brand, Karl-Werner/Eder, KlausIPoferl, Angelika<br />
1997: Ökologische Kommunikation in Deutschland.<br />
Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />
Brand, Karl-Werner/Jochum, Georg 2000: Der<br />
deutsche Diskurs zu nachhaltiger Entwicklung.<br />
MPS-Texte 1/2000, München.<br />
Brand, Karl-Werner/Fürst, Volker 2002: Voraussetzungen<br />
und Probleme einer Politik der Nachhaltigkeit<br />
- Eine Exploration des Forschungsfelds.