Als PDF-Datei herunterladen - Ärztblatt Sachsen-Anhalt
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Somatoforme<br />
Schmerzstörung:<br />
Betrachtungen aus dem Blickwinkel<br />
einer interdisziplinären Schmerzambulanz<br />
Brinkers, M., Pfau, G., Hoffmeyer, D.<br />
1. Einleitung<br />
Seit jeher besteht in den somatischen Fächern das Problem,<br />
dass Patienten über somatische Symptome klagen, für die<br />
sich in der Medizin trotz aufwändigster Untersuchungen<br />
kein organisches Korrelat finden lässt, das diese Beschwerden<br />
hinreichend erklären würde.<br />
Mit der Einführung der ICD-10 kam als neue Kategorie die<br />
Gruppe der „somatoformen Störungen“ hinzu, durch die<br />
man hoffte, diesen Umstand besser beschreiben und<br />
verschlüsseln zu können (siehe Abb. 1).<br />
F 45 somatoforme Störungen<br />
Das Charakteristikum ist die wiederholte Darbietung körperlicher<br />
Symptome in Verbindung mit hartnäckigen Forderungen<br />
nach medizinischen Untersuchungen trotz wiederholter negativer<br />
Ergebnisse und Versicherung der Ärzte, dass die Symptome<br />
nicht körperlich begründbar sind.<br />
Sind aber irgendwelche körperlichen Symptome vorhanden,<br />
dann erklären sie nicht die Art und das Ausmaß der Symptome<br />
oder das Leiden und die innerliche Beteiligung des Patienten.<br />
Abb. 1: Definition der somatoformen Störung nach ICD-10<br />
2. Blickwinkel des Psychiaters<br />
Fachartikel<br />
Dr. med. Michael Brinkers<br />
Das Unbehagen, das sich aber mit dieser neuen ICD-Gruppe<br />
einschlich, basiert auf zwei Umständen (siehe Abb. 2):<br />
1. Somatische Symptome ohne organische Ursache sind nur<br />
ein Problem der somatischen Fächer. Die somatoformen<br />
Störungen sind aber Teil der psychiatrischen Klassifikation,<br />
obwohl die Psychiater seit jeher mit dem Umstand vertraut sind,<br />
dass körperliche Symptome keine körperliche Ursache haben, da<br />
sie von psychischen Störungen verursacht werden (z.B. Bauchschmerzen<br />
bei Depressionen)<br />
2. Gerade in der Psychiatrie war die Vorgabe für die ICD-10<br />
Störungen, rein phänomenologisch (also jenseits von Ursachentheorien)<br />
zu definieren. Es wird nun aber mit den somatoformen<br />
Störungen eine Dichotomie eingeführt (mit und ohne organische<br />
Ursache), die dieser Vorgabe entgegensteht.<br />
Abb. 2: Probleme bei der Einordnung der somatoformen Störungen<br />
als psychiatrische Diagnose<br />
Aus psychiatrischer Sicht ist die somatoforme Störung nur<br />
eine von mehreren Möglichkeiten, warum körperlich<br />
empfundene Symptome keine organische Ursache haben<br />
oder nicht ausreichen, das Leiden zu erklären.<br />
Dabei ist neben somatoformen Störungen zunächst an<br />
Depressionen und Angststörungen zu denken.<br />
Keinesfalls ist die somatoforme Störung ein Oberbegriff für<br />
psychisch verursachte körperliche Symptome. Eine solche<br />
Auffassung ist durch die ICD-10-Vorgaben nicht gesichert.<br />
Das grüne Buch der ICD-10-Ausgabe ist eindeutig und geht<br />
soweit zu definieren, dass es während einer depressiven<br />
Phase keine somatoformen Symptome gibt.<br />
Ärzteblatt <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> 22 (2011) 4 31